Reportage: Frank Buchmeier (buc)
Waren das die besten Zeiten in Ihrer Branche?
Das würde ich nicht sagen. Zum Beispiel waren die Grenzen innerhalb Europas für uns lästig: Es hat mitunter eine Ewigkeit gedauert, bis die Pässe von allen Fahrgästen kontrolliert waren. Für die Länder im Osten brauchte man ja sogar ein Visum. In den 80er Jahren bin ich mal via Belgrad und Sofia ans Schwarze Meer gefahren, das war ein großes Abenteuer! Die meisten Leute haben schon vergessen, wie kompliziert das Reisen einmal war.
Erlebten Sie unterwegs brenzlige Situationen?
Leider ja: 1982 nahm mir auf dem Weg nach Südtirol ein Wohnmobil die Vorfahrt, es ist mir voll in die Seite gerauscht. Mein Bus kippte um. Ein Fahrgast kam bei dem Unfall ums Leben, zwei verloren einen Arm, und es gab viele weitere Verletzte. Auch mein Sohn, der mich auf der Tour begleitet hatte, und ich kamen für zwei Nächte ins Krankenhaus.
Haben Sie nach dieser Tragödie mit dem Gedanken gespielt, nicht mehr Omnibus zu fahren?
Keine Sekunde. Der Unfall passierte am Pfingstsamstag, und ich war am Dienstag schon wieder im Einsatz. Es war ja nicht meine Schuld und hätte nichts geändert, wenn ich meinen Beruf aufgegeben hätte. Aber ich habe fortan noch aufmerksamer den Verkehr beobachtet. Ich ging nicht mehr davon aus, dass jemand an einem Stoppschild tatsächlich hält.
Sie waren eine passionierte Busfahrerin. Wie kommen Sie im Ruhestand klar?
Ich vermisse nichts. Ich reise viel, meistens an Orte, die ich bereits beruflich kennengelernt habe. Zuletzt war ich in Sankt Petersburg. Von so einem Ort bekomme ich nun, wo ich nicht mehr nach meinem Bus und den Fahrgästen schauen muss, deutlich mehr mit. Und jeden Mittwoch kümmere ich mich um eine ehemalige Kollegin, die dement ist. Wir gehen spazieren, und ich kaufe für sie ein. Zudem betreue ich einen Asylbewerber aus Gambia. Meistens setzen wir uns auf eine Bank und üben Deutsch: Ich bringe ihm die Zeitung mit und lasse ihn daraus vorlesen. Auch das macht mir Spaß.
Würden Sie sich als eine der ersten Busfahrerinnen im Land als emanzipiert bezeichnen?
Ich kann das Wort „emanzipiert“ nicht leiden. Es gibt halt Arbeit, die gemacht werden muss – ganz egal, ob von einem Mann oder einer Frau.