Bei Borussia Mönchengladbach herrscht Ebbe in der Kasse. Für die Verpflichtung starker Spieler fehlt das Geld. Man setzt auf das alte Team.

Mönchengladbach - Über die örtlichen Gegebenheiten an seinem neuen Arbeitsplatz ist Yuki Otsu rasch im Bilde gewesen. "Von Mönchengladbach ist es nicht weit bis Düsseldorf. Dort leben viele Japaner, und dort gibt es gute Restaurants", tröstete sich der 21 Jahre alte Mittelfeldspieler nach seiner Vertragsunterschrift bei der Borussia darüber hinweg, dass er seine Familie beim Umzug nach Europa zunächst in der Heimat zurücklassen musste.

 

Und bei Düsseldorfer Feinschmeckeradressen will Otsu nun wohl sein Einstiegsgericht in Deutschland vergessen. Ließ ihm Gladbachs Sportdirektor Max Eberl zur Begrüßung doch Leberkäse servieren. "Wirklich lecker", kommentierte Otsu, als der Teller abgeräumt war. Möglichweise wird der Neuzugang von Kashiwa Reysol seine Meinung nach den angepeilten Dinnertouren in die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt aber etwas revidieren. So wie Lucien Favre seine Einschätzung über ihn geändert hat. Der Cheftrainer des Beinahe-Zweitligisten, eigentlich auf der Suche nach Verstärkungen, ordnete den Kicker aus Japan nach erster Begutachtung als Ergänzungsspieler ein. Was ihn später nicht davon abhielt, Otsu dennoch an die niederländische Grenze zu holen.

"Kaufhaus des Westens"

Der simple Grund für die innere Kehrtwende des Schweizers: Borussia Mönchengladbach, erst in der Relegation gegen Bochum als Bundesligist bestätigt, muss nach Platz 16 in der Vorsaison nun mit zwei Millionen TV-Euros weniger auskommen. Kostspielige Verpflichtungen wie zu sportlichen Notzeiten, als die Borussia noch als "Kaufhaus des Westens" verspottet wurde, fielen diesmal aus. Auch weil der Verein für die wundersame Rettung unter Favre in Vorkasse gegangen war.

Um die brüchige Defensive zu stabilisieren, kamen in der Winterpause Havard Nordtveit und Martin Stranzl. Das führte zwar zur gewünschten Verbesserung der Abwehrarbeit, doch nun fehlt das Geld für große Investitionen. Eberl muss sich dafür rechtfertigen, dass die Borussia zum Ligastart am Sonntag in München im Grunde wieder mit jener Mannschaft aufläuft, die um ein Haar ins Unterhaus geplumpst wäre. Andererseits hat dieses Ensemble unter Favres Anleitung in der Rückrunde 26 Punkte geholt.

Emotionaler Frühling

Die Quote verdoppelt - das hätte am Ende für Platz sechs gereicht. Deshalb baut der Sportchef nun auf die anhaltende Wirkung des sehr emotionalen Frühlings 2011. "Ich habe das Gefühl, dass unsere Jungs viel mitnehmen von diesen Erlebnissen", sagt Eberl, der dank des Klassenverbleibs auch den Umsturzversuch der Initiative Borussia unter Revolutionsführer und Ex-Club-Idol Stefan Effenberg unbeschadet überstand.

Jetzt sind die Uhren wieder auf null gedreht - und das neue Saisonziel der gebrannten Kinder aus Mönchengladbach lautet wie das alte: Einmal nichts mit dem Abstieg zu schaffen zu haben. Und, wie Eberl ergänzt: "Endlich mal wieder die 40-Punkte-Marke knacken." Angesichts der letzten Rückrunde eine sehr devote Vorgabe. In Anbetracht der Gesamtsaison jedoch vollendeter Realitätssinn.

Reus und Dante bleiben

Und weil derzeit keiner so genau weiß, wo er mit dem Rautenclub beim nächsten Mal landet, liebäugelte der Abwehrchef Dante auch vom Abend der erfolgreich abgeschlossenen Relegation an bis in die letzten Julitage hinein mit dem Abschied aus Mönchengladbach. Doch der Brasilianer ist geblieben - ebenso wie Marco Reus (22), der Fastnationalspieler, der sich kurz vor seinem ersten Länderspiel bisher stets zuverlässig verletzt hat. Dass Dante und Reus nicht von Bord gingen, ist Eberls größter Erfolg des Sommers.

Mit dem 3:1-Sieg beim Drittligisten Regensburg im Pokal ist die Generalprobe für die München-Partie geglückt, vor allem dank ansehnlicher Treffer durch Stranzl, Reus und Igor de Camargo. Der belgische Angreifer kam im letzten Sommer für vier Millionen Euro zur Borussia. Als das Geld bei den Niederrheinischen, die als namhaftesten Neuzugang den schwedischen Nationalspieler Oscar Wendt für die linke Abwehrseite verpflichtet haben, noch lockerer saß.

Verlegenheitskauf Yuki Otsu

Andererseits trägt der Sparkurs schon eine schöne Frucht namens Marc-André ter Stegen. Der 19-jährige Keeper fand parallel zum rasanten Saisonfinale der Favre-Elf den Weg aus dem eigenen Nachwuchs ins Gladbacher Tor - und wurde nach sechs Ligapartien vom Bundestorwarttrainer Andreas Köpke bereits in den Dunstkreis der Nationalmannschaft gerückt.

Ganz Verwegene träumen vor dem Saisonstart daher auch davon, dass aus dem Verlegenheitskauf Yuki Otsu womöglich doch ein zweiter Shinji Kagawa wird.