Es fällt immer schwerer, den Überblick zu behalten, wer bei welchem Verein aktuell auf der Bank sitzt. Bisher gab es neun Trainerwechsel.  

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Gelsenkirchen/Freiburg/Leverkusen - Das Bonmot geistert seit einigen Tagen durch das World Wide Web. Urheber dieses Spruches, der das Krisenmanagement der Vereine dieser Tage in der Fußball-Bundesliga zusammenfasst, ist der Sportblogger Kai Pahl (allesaussersport.de): "Nach Heynckes und Rehhagel wäre es natürlich für den HSV auch eine Option, die Urne von Ernst Happel auf die Trainerbank zu stellen", schrieb Pahl.

 

Der Hamburger SV hat dann doch eine andere Lösung gefunden. Nämlich mit, ja, mit wem noch gleich? Ach ja, Michael Oenning darf sich versuchen, also interimsweise, vielleicht aber auch länger, das weiß man noch nicht so genau. Und auch Otto Rehhagel durfte Rentner bleiben, weil man dann doch noch einen fand für Schalke.

Wer hat noch nicht, wer will noch mal?

Wer als Fan dieser Tage nicht aufpasst, läuft Gefahr, den Rauswurf eines Trainers zu fordern, der kurzfristig schon andernorts angeheuert hat. Es ist das Superwechseljahr mit einer Wahlbeteiligung von fast der kompletten Liga und mit kolportierten Namen von so ziemlich jedem, der in Besitz einer Trainerlizenz ist. Wer hat noch nicht, wer will noch mal? Am Montag nun war Wahltag in Schalke, Freiburg, Leverkusen.

Um den Tag einmal kurz zusammenzufassen: dpa meldet um 10.56 Uhr: "Heynckes verlässt Bayer - Dutt wird Nachfolger". Um 11.21 Uhr läuft über den Ticker: "Rangnick als Schalke-Trainer vorgestellt". Kurz darauf, um 11.26 Uhr: "Weg für Heynckes zum FC Bayern ist frei". All das ist keine große Überraschung. Doch in der Dichte ist dieser Montag der würdige Schlusspunkt hinter ein in der Bundesligageschichte wohl einmaliges Geschacher. 

Bisher gab es neun Trainerwechsel

Neun Trainerwechsel gab es bisher, was eine Einstellung des Rekords aus den Jahren 1998/99 und 2005/06 ist, dazu kommen mit Louis van Gaal, Robin Dutt und Jupp Heynckes noch einmal drei Männer mit bereits feststehendem Verfallsdatum im jeweiligen Verein, dem 30. Juni 2011.

Der DFB-Sportdirektor Matthias Sammer sagt, dass das keinen guten Eindruck mache und vom Wesentlichen, vom Sport nämlich, ablenke. Andere fürchten gar einen Schaden für die Liga. Wobei sich der in Grenzen hält. Wegen Trainerwechseln sinkt weder der Wert noch die Qualität noch die Zuschauerzahl - im Gegenteil, ist man doch medial präsent wie selten zuvor.

Was aber ist eigentlich los? Die vielen lokalen Ereignisse wachsen sich aus zu der Annahme, dass da prinzipiell etwas außer Kontrolle geraten ist. Aber was? Beziehungsweise: Stimmt das überhaupt?

Großer Druck und wenig Geduld

Vielleicht sind die vielen Wechsel wirklich das Resultat einer grundsätzlichen Fehlentwicklung. Nie war Fußball so wichtig wie heute, nie war die mediale Anteilnahme so groß, nie wurde damit so viel Geld verdient, und nie war deshalb der Druck im Schmelztigel Bundesliga so groß und im Umkehrschluss die Geduld der Vereine so klein wie heutzutage - was auch Einfluss auf die Loyalität der Trainer hat.

Es fällt dennoch schwer, all die Vorgänge auf eine gemeinsame Ursache zu reduzieren. Es hat schon immer zu einer schwer zu kontrollierenden Kettenreaktion geführt, wenn ein spannender Posten neu besetzt werden musste (München, Schalke, Hamburg). Das Chaos auf Schalke ist mit dem in Hamburg nicht zu vergleichen, in Freiburg sieht ein Trainer Aufstiegschancen, in Leverkusen tut sich der Coach schwer, den Avancen aus München standzuhalten. Dass ein Tabellenletzter wie Gladbach den Trainer wechselt, ist ebenso alltäglich wie die Entlassungen bei hinter den Erwartungen zurückgebliebenen Clubs mit entsprechend nervöser Führung (Stuttgart, Wolfsburg, München).

Debatte über Konsequenzen

Vielleicht kommt in dieser Saison einfach alles zusammen: eine ungewöhnliche Tabellenkonstellation mit vielen Topclubs im Abstiegsstrudel, dazu der Umbruch in der Trainergilde. Die Debatte über Konsequenzen ist dennoch entbrannt.

So hat Louis van Gaal gar auf Wettbewerbsverzerrungen hingewiesen. "Wir haben schon gegen Wolfsburg gespielt, mit einem anderen Trainer. Die Vereine, die jetzt noch gegen Wolfsburg spielen müssen, treffen da auf einen anderen Trainer. Und ein Trainer ist auch bestimmend für eine Mannschaft." Was aber auch für andere Eventualitäten gilt. Fußball unter Laborbedingungen mit gleichen Voraussetzungen ist eben unmöglich. Bayern zum Beispiel ist auch eine andere Mannschaft, wenn ein Arjen Robben spielt. Es gibt Verletzungen, Pausen für überspielte Profis, Schwächephasen, Trainerwechsel etc. Van Gaal schlägt dennoch ein Transferfenster vor, um dem Vereinchen-wechsle-dich-Spiel während der Saison Einhalt zu gebieten.

Korrektiv für den Trainermarkt?

Außerhalb des Sports gibt es Vertragsmodelle, um den Wechsel von Führungskräften zu unterbinden. In der Wirtschaft wird Angestellten mit Insiderwissen bisweilen ein Wettbewerbsverbot in den Kontrakt geschrieben. Läuft der Vertrag aus, darf derjenige für einen gewissen Zeitraum nicht für einen Konkurrenten arbeiten. Im Fußball gibt es das nicht. Dort hat Felix Magath all sein Wissen, beispielsweise über Vertragsinterna aus seiner Funktion als Manager, nur 24 Stunden später zum Konkurrenten Wolfsburg mitgenommen.

Das Modell aus der Wirtschaft taugt allerdings nur bedingt als Blaupause. Arbeitnehmer, also Trainer, werden schließlich im Normalfall entlassen und würden unzulässig in ihrer Freiheit eingeschränkt werden. Ein arbeitsloser Fußballer zum Beispiel darf auch jederzeit verpflichtet werden. In Spanien und Italien gibt es dennoch ein solches Korrektiv für den Trainermarkt, in abgewandelter Form. Dort darf ein Coach in einer Saison nicht zwei Vereinen aus der gleichen Liga vorstehen.

Die Bundesligavereine, deren Trainer und ihre Verträge

Borussia Dortmund:  Jürgen Klopp (Vertrag bis Juni 2014)
Bayer Leverkusen: Jupp Heynckes (Vertrag läuft am 30. Juni 2011 aus/Nachfolger: Robin Dutt vom SC Freiburg)
Hannover 96: Mirko Slomka (bis Juni 2013)
FC Bayern: Louis van Gaal (Vertrag bis Juni 2011/Nachfolger: noch offen)
Mainz 05: Thomas Tuchel (bis Juni 2013)
1. FC Nürnberg: Dieter Hecking (Vertrag bis Juni 2011, verlängert sich automatisch um ein Jahr bei Klassenverbleib)
Hamburger SV: Armin Veh, Michael Oenning (seit 13. März/Vertrag als Cheftrainer bis Juni 2011, als Trainer bis 2012)
SC Freiburg:  Robin Dutt (Vertrag bis 2012/wechselt zur neuen Saison zu Bayer Leverkusen/Vertrag bis 2013)
1899 Hoffenheim: Ralf Rangnick, Marco Pezzaiuoli (seit 2. Januar/Vertrag bis 2013)
Schalke 04: Felix Magath, Seppo Eichkorn (17. bis 20. März 2011), Ralf Rangnick (seit 21. März/Vertrag bis 2014)
1. FC Köln: Zvonimir Soldo, Frank Schaefer (seit 25. Oktober 2010/ (Vertragsverlängerung bei Klassenverbleib geplant)
Werder Bremen: Thomas Schaaf (Vertrag bis Juni 2012)
1. FC Kaiserslautern: Marco Kurz (Vertrag bis Juni 2012)
Eintracht Frankfurt: Michael Skibbe (Vertrag bis Juni 2012)
VfB Stuttgart: Christian Gross, Jens Keller (13. Oktober bis 12. Dezember 2010), Bruno Labbadia (seit 12. Dezember/Vertrag bei Klassenverbleib bis 2013)
St. Pauli: Holger Stanislawski (bis Juni 2012)
VfL Wolfsburg: Steve McClaren, Pierre Littbarski (7. Februar bis 18.März), Felix Magath (seit 18. März/Vertrag bis Juni 2013)
Mönchengladbach: Michael Frontzeck, Lucien Favre (seit 15. Februar 2011/bis 2013)
(dpa)