Auf dem Bundesparteitag in Aschaffenburg schlug die AfD moderate Töne an und kam beim Publikum gut an. Radikale Themen wie die Abkehr vom Euro wurden gemieden, dafür ging es um das Lebensgefühl der Menschen.

Aschaffenburg - Manchmal hängt der Wahlsieg an einer Schnullerkette. Dass ein Abgesandter aus Baden-Württemberg am Ende seiner Bewerbungsrede eine bunte Kette mit Schnullern in die Höhe hält, erweist sich als gute Idee. Bernd Kölmel, Sprecher des Landesverbandes der eurokritischen Alternative für Deutschland (AfD), bringt der Einfall viel Zuspruch. Über das vorgezeigte Kinderspielzeug habe die Europäische Union eine mehrseitige „Schnullerkettenverordnung“ verfasst, ruft der Mann aus Baden den 320 Delegierten des Bundesparteitags in Aschaffenburg zu. Kölmel, der sich als wert- aber keineswegs als erzkonservativ beschreibt, kommt beim Publikum an.

 

Seine Argumente gegen Brüsseler Bürokratie und Verschwendung sind populär. Bernd Kölmel, der beruflich im Dienste der Landesverwaltung steht, wurde von den Delegierten auf den dritten Listenplatz der AfD für die Europawahl im Mai bestimmt. Das ist eine aussichtsreiche Position. Falls die AfD die Dreiprozenthürde überwindet, was zurzeit als wahrscheinlich gilt, kann sich der Baden-Württemberger gute Chancen ausrechnen, ins Europäische Parlament einzuziehen.

Es sind auch Leute wie Bernd Kölmel, die das Bild der jungen Partei prägen sollen. Beim Parteitag in Aschaffenburg achtet der Bundessprecher Bernd Lucke genau darauf, dass schrille Töne vermieden werden. Lucke, der Volkswirtschaftsprofessor aus Hamburg, will die AfD in bürgerlichen Kreisen salonfähig machen. Nach den unschönen Schlammschlachten in einigen Landesverbänden verordnet Bernd Lucke seiner Partei jetzt moderate Töne. In seiner Rede vermeidet er radikale Forderungen wie etwa die Abkehr vom Euro.

Lebensgefühl der Menschen als zentrales Thema

Überhaupt verliert Lucke nur wenige Worte zum angeblichen Widersinn der Eurorettungsschirme. Die Forderung, Länder aus dem Euro auszuschließen, kommt bei Lucke an diesem Tag nicht vor. Die Professorenpartei will sich ändern. Es geht nicht mehr nur um schwer verständliche ökonomische Thesen, sondern das Lebensgefühl der Menschen. Lucke gibt sich als jemand, der die europäische Einigung aus vollem Herzen bejahe. Die „Altparteien“ machten Europa aber zum Hort von Bürokratie, Regulierung und Zentralismus. Hier setzt die AfD an.

Mit ihrem Personal will die Partei breite Schichten ansprechen. Die AfD setzt dabei vor allem auf die 60 Prozent der Wähler, die bei der letzten Europawahl nicht an die Urne gegangen sind. Dass sie aus diesem Lager der Nicht-Wähler schöpfen können, dafür bekommt Lucke personelle Verstärkung. Das alte Schlachtross Hans-Olaf Henkel, der als Talkshowgast und Buchautor viele Erfahrungen mit den Medien gesammelt hat, soll Bernd Lucke unterstützen. Das ist für die Partei ein wichtiger Schritt, denn eine Führungsfigur reicht nicht aus. Der frühere Manager und BDI-Chef Henkel soll jedenfalls viele Auftritte absolvieren. Als ein AfD-Kandidat in seiner Vorstellungsrede rügt, die etablierten Parteien stellten manchen „Opa für Europa“ auf, fällt der Widerspruch nicht allen auf. Für den 73-jährigen Hans-Olaf Henkel gilt wohl eine Absolution.

Es ist aber nicht nur das Spitzenpersonal, sondern auch Leute wie der Badener Kölmel, der frischen Wind in die Partei bringen soll. Kölmel ist Haushaltsabteilungsleiter beim Landesrechnungshof. Der Beamte macht den Politikern Vorschläge, wo sie noch sparen könnten. Er will nun auf der anderen Seite des Tisches sitzen und dafür sorgen, dass Sparideen umgesetzt werden. Eine gute Figur bei der Vorstellung macht auch die Berliner AfD-Europawahlkandidatin Beatrix von Storch, die auf Platz vier landet. Die übrigen Parteien träten für den europäischen Superstaat ein, sagt von Storch. Die AfD sei die einzige, die sich gegen mehr Zentralismus wende. „Wir machen den vielen politisch Heimatlosen ein Angebot“, so von Storch. Diese Rede kommt gut an.

Sonderbare Figuren in den Reihen der AfD

Natürlich gibt es auch die Sprücheklopfer und Deutschnationalen, die bei den Wahlen auf den vorderen Plätzen aber durchfallen. Ein Bewerber, der früherer Auslandskorrespondent eines öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders war, beklagt, dass die „Deutschen in einem europäischen Brei“ aufgingen. Ein anderer Listenplatzinteressent fordert, die Bootsflüchtlinge aus Afrika dürften nicht ermuntert werden, nach Europa zu kommen. „Stringente Maßnahmen“, seien erforderlich, was auch immer das heißen mag. Ein achtfacher Familienvater, der ebenfalls nach Europa will, stellt sich mit dem Satz vor: „Es scheint in diesen Tagen etwas Besonderes zu sein: Ich bin heterosexuell und glücklich verheiratet.“ Dass auch sonderbare Figuren in den Landesverbänden der AfD mitmischen, zeigt der Auftritt ominöser Berater und Motivationstrainer. Ein Kandidat aus dem skandalgeplagten hessischen Landesverband schreit in den Saal, in dem Landesverband werde mit geheimdienstlichen Methoden operiert. Er wird von den Zuhörern ausgebuht.

Das smarte Auftreten der Parteioberen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in der Partei auch viele nationalistische Anhänger gibt. Diese Gruppe will Bernd Lucke mit dem Motto für den Europawahlkampf ansprechen. Der Slogan für die Europawahl heißt „Mut zu Deutschland“. Solche Leitsätze ist der Wähler von rechten Parteien gewohnt.