Wegen des Privatkredits von Edith Geerkens ist die Glaubwürdigkeit des Bundespräsidenten Christian Wulff schwer erschüttert.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Berlin - Der Bundespräsident hat zwar das höchste Amt im Staate inne. Seine Macht aber speist sich nur zum geringeren Teil aus den Kompetenzen, die ihm vom Grundgesetz eingeräumt sind. Die politische Wirkkraft ergibt sich zuvörderst aus der Autorität des Präsidenten selbst. Diese wiederum resultiert aus seiner persönlichen Integrität, seiner geistigen Strahlkraft, seinem Charisma.

 

"Amt und Person sind im Falle des Bundespräsidenten mehr als bei jedem anderen Verfassungsorgan eine Einheit. So ist es die erste Pflicht des Bundespräsidenten, den hohen Ansprüchen, die das Amt stellt, durch seine Person zu genügen." Mit diesen Worten verabschiedete sich Walter Scheel, der 4. Bundespräsident, im Jahr 1979 von der Staatsspitze. Mit einer gewissen Demut fügte Scheel hinzu: "Vor dieser Aufgabe wird man sich durchaus zuweilen seiner eigenen Schwächen bewusst."

Christian Wulff, der 10. Bundespräsident, hat sich die von Scheel formulierte Aufgabenbeschreibung ausdrücklich zu eigen gemacht. "Die Wahrnehmung öffentlicher Ämter verlangt zu jedem Zeitpunkt ein hohes Maß an Integrität und Verantwortungsbewusstsein. Dies gilt in ganz besonderer Weise für das Amt des Bundespräsidenten", erklärte Wulff, als er zum ersten Mal zu den Vorwürfen wegen eines 500.000-Euro-Kredits durch die Unternehmergattin Edith Geerkens Stellung nahm.

Widersprüchliche Aussagen der Geerkens

Wulff hat damit selbst die Maßstäbe definiert, an denen er als erster Mann im Staate gemessen werden will. Die Zweifel mehren sich, dass er sie noch erfüllt.

Inzwischen "bedauert" Wulff, dass er dem niedersächsischen Landtag, als er nach Geschäftskontakten zum Unternehmer Egon Geerkens gefragt wurde, seinen "privaten Vertrag" mit dessen Ehefrau nicht mitgeteilt hat. Es gibt Philosophen wie Plato, die das Weglassen der anderen Hälfte der Wahrheit als schlimmste Form der Lüge bezeichnen. Selbst bei weniger strenger Betrachtung bleibt festzuhalten, dass Wulff dem Parlament Informationen vorenthielt, von denen er als damaliger Ministerpräsident gewiss ahnte, dass sie politischen Sprengstoff enthalten.

Wulffs Verteidigung in eigener Sache fußt auf der formal wohl korrekten Behauptung, der Kreditvertrag sei ausschließlich mit Frau Geerkens geschlossen. Äußerungen des Ehemannes setzen den Vorgang nun in ein anderes Licht. Er habe die Verhandlungen mit Wulff über den Kredit geführt, sagt Egon Geerkens. Er habe überlegt, "wie das Geschäft abgewickelt werden könnte". Er habe durch die Wahl eines neutralen Bundesbank-Schecks bei der Zahlung verschleiern wollen, dass bekannt wird, "dass so viel Geld von mir an Wulff fließt". Wenn richtig ist, was Geerkens sagt, hat Wulff dem niedersächsischen Landtag nicht nur die Hälfte der Wahrheit verschwiegen, sondern die eigentliche.

Kreditaffäre kostet Wulff womöglich sein Amt

Wulff kann diesen bösen Schein wohl nur beseitigen, wenn Geerkens seine Äußerungen widerruft. Aber wäre ein solcher Widerruf glaubwürdig, wenn er von einem Mann erfolgt, der sich als "väterlicher Freund" des Bundespräsidenten bezeichnet und der nach eigener Auskunft immer bereitstehen will, wenn Wulff Hilfe braucht? Das Staatsoberhaupt steckt in einer argumentativen Zwickmühle.

Die Art, wie Wulff sein Amt bis zu dieser Affäre ausfüllte, hat vielen Respekt abgenötigt. Der Niedersachse schien ein würdiger Repräsentant des Landes zu sein. Er fand zu wichtigen gesellschaftlichen Themen - wie Integration und Rechtsextremismus - treffende, teilweise sogar bewegende Worte. Die Umstände des "Privatkredits" haben nun - im Sinne Walter Scheels - menschliche "Schwächen" offengelegt, die Wulffs Eignung für das Amt nachträglich in Frage stellen. Die Affäre hat das Potenzial, den politischen Kredit des Bundespräsidenten Wulff so weit aufzuzehren, dass er im Amt nicht bleiben kann.