Die gebürtige Saarländerin Laura Jung beendet ihre Karriere in der Sportgymnastik nach einem letzten sportlichen Auftritt an diesem Wochenende beim Masters-Turnier in Berlin und beginnt im September eine Ausbildung in Stuttgart.

Schmiden - Ludmilla Titkova lässt ihren Tränen freien Lauf. „Sie ist wie meine Tochter“, sagt die Trainerin am Bundesstützpunkt für Rhythmische Sportgymnastik in Schmiden bei der Verabschiedung von Laura Jung – und herzt und drückt die junge Frau, die ebenfalls feuchte Augen hat. Es sind viele Abschiede auf einmal für Laura Jung. Nach neun Jahren hat die 21-Jährige am Dienstag ihr letztes Training am Stützpunkt absolviert, und am Wochenende wird sie zum letzten Mal an einem Wettkampf teilnehmen. Beim Berlin Masters von Freitag bis Sonntag gibt Laura Jung ihre Abschiedsvorstellung.

 

Die Teamgefährtinnen des deutschen Nationalteams, die Trainerinnen, Stützpunktleiterin Kathrin Igel, Sigrid und Josef Stark, das Hausmeisterpaar vom Schmidener Schulzentrum, das auch das Internat beherbergt, in dem Laura Jung bis zu ihrer Volljährigkeit fast sechs Jahre lang gelebt hatte, Freunde und Bekannte waren gekommen. Alle wollten sich von der beliebten Gymnastin verabschieden. Sie habe großen Respekt vor Laura Jung, sagt die Trainerin Yuliya Raskina. „Alles, was sie tut, ist intelligent, erwachsen. Ich hoffe, sie kommt oft zu uns zurück, für Shows, für Galas und als Helferin.“

Laura Jung sagt: „Die Rhythmische Sportgymnastik ist meine Leidenschaft“

Laura Jung ist dem Ansinnen keineswegs abgeneigt. Mittel- und langfristig kann sie sich ein Engagement durchaus vorstellen, sagt Laura Jung. „Die Rhythmische Sportgymnastik ist meine Leidenschaft und wird immer einen Platz in meinem Leben haben. Wenn ich Angebote bekomme, möchte ich weiterhin Showauftritte machen und vielleicht sogar irgendwann einmal als Trainerin arbeiten.“

Doch jetzt gilt es zunächst einmal, aus dem Spind mit ihrem Namensschild in dem kleinen Raum neben der Trainingsfläche alles auszuräumen. Keulen, Ball, Schuhe. Nach und nach verschwinden die Habseligkeiten in ihrem Koffer. Laura Jung packt viele Erinnerungen mit dazu ein. Schöne vor allem, aber auch ein paar traurige.

Die Entscheidung, die Karriere an den Nagel zu hängen, ist kein Schnellschuss

Es ist noch gar nicht lange her, dass Laura Jung mit dem Gewinn der deutschen Mehrkampfmeisterschaft im Mai einen großen sportlichen Triumph feierte. Kurz davor hatte die gebürtige Saarländerin eine herbe, wenn auch absehbare Enttäuschung einstecken müssen, als sie an der Qualifikation für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro scheiterte. Dass ihre Entscheidung, die Karriere an den Nagel zu hängen, kein Schnellschuss aus Enttäuschung ist, darauf legt Laura Jung großen Wert. Spätestens nach Olympia wäre für sie so oder so Schluss gewesen. Dieser Entschluss sei schon lange festgestanden, sagt sie. „Da ich es nicht geschafft habe, nach Rio zu gehen, ist eben jetzt schon Feierabend.“

Für Laura Jung beginnt jetzt ein neuer Lebensabschnitt. Im September startet die 15-fache deutsche Meisterin eine Ausbildung zur Personaldienstleistungskauffrau in Stuttgart. Zunächst steht aber ein Praktikum an: natürlich im Nationalmannschafts- und Landesleistungszentrum in Schmiden. Außerdem will sie sich fit halten. „Ganz ohne Sport geht es nicht, und ich will ja auch weiterhin gut in Form bleiben.“

Immer ist Laura Jung für ihren Heimatverein, den TV St. Wendel, gestartet. Doch auch nach Beendigung ihre Zeit als Leistungssportlerin kehrt sie nicht nach Hause zurück. Laura Jung wird nicht nur ihre Ausbildung in Stuttgart absolvieren, sondern zumindest noch eine Zeit lang in Fellbach wohnen bleiben. „Die Stadt ist mir zur Heimat geworden“, sagt Laura Jung. Obwohl sie es hier nicht immer leicht hatte. Nach ihrem Vorwurf einer Handgreiflichkeit bei den Weltmeisterschaften 2011 in Montpellier wurde die Schmidener Cheftrainerin Galina Krilenko freigestellt. „Das war eine schwere Zeit, aber alle hier sind hinter mir gestanden“, sagt die 21-Jährige. Und die vergangenen eineinhalb Jahre seien wohl die schönsten in ihrer Karriere gewesen. Mit dem neuen Team sei eine andere Stimmung im Bundesstützpunkt eingezogen. „Noch immer steht die Leistung im Mittelpunkt, aber alles ist nicht mehr so verbissen. Wir haben jetzt auch Spaß.“

Für Laura Jung beginnt ein neuer Lebensabschnitt

Auch ohne die Zeit als Sportlerin mit einer Olympiateilnahme zu krönen, sei sie unendlich dankbar und habe viel gelernt. „Doch jetzt beginnt für mich ein neuer Lebensabschnitt.“ Allerdings erst nach dem Berlin Masters am Wochenende. Zum großen Finale wünscht sich Laura Jung die eine oder andere Finalteilnahme beim Wettkampf in der Hauptstadt. Vor allem aber will sie das genießen, was sie am meisten vermissen wird: „Dieses Gefühl, auf der Fläche zu stehen, wenn die Musik angeht, das ist einfach unbeschreiblich.“