Als Mirko Vidackovic im Jahr 1968 als Ferienarbeiter nach Deutschland kam, hätte er nicht gedacht, dass er statt für einige Wochen für immer bleiben würde. Am Donnerstag erhält der Kroate aus Waiblingen das Bundesverdienstkreuz.

Waiblingen - Als Mirko Vidackovic den Brief des Bundespräsidenten aus dem Postkasten gezogen hat, ist ihm das Herz in die Hose gerutscht. Sein erster Gedanke: „Was habe ich angestellt?“ Sein zweiter Gedanke: „Oh je – war ich so schnell, als ich neulich auf der Fahrt nach Kroatien geblitzt worden bin?“ Doch Joachim Gauck wollte Mirko Vidackovic nicht wegen eines Verkehrsdelikts schelten, geschweige denn ihm eine Strafe aufbrummen. Nein, der Bundespräsident teilte dem Waiblinger in seinem Schreiben mit, dass er sich bei ihm persönlich bedanken möchte: mit dem Verdienstkreuz am Bande. Letzteres überreicht Gauck dem 68-Jährigen am Donnerstag, 10. Juli, im Schloss Bellevue in Berlin.

 

Sozialarbeit statt Mathe und Physik

Dass ihm der deutsche Bundespräsident eines Tages einen Orden verleihen würde, das hat sich Mirko Vidackovic nicht träumen lassen, als er 1968 aus seiner kroatischen Heimat nach Stuttgart kam. Anfang 20 war er damals – und wollte lediglich für drei Monate in Deutschland als Ferienarbeiter anheuern, um Geld für sein Studium zu verdienen. „Ich hatte vor, Mathematik und Physik zu studieren“, erzählt der Diplom-Sozialarbeiter, dem es in den ersten Jahren wie wohl den meisten seiner Landsleute in Deutschland ging: „Wir dachten, wir sind nur vorübergehend da.“

Anfangs konnte Mirko Vidackovic kein bisschen Deutsch. Wort für Wort hat er die Sprache, in der er heute so selbstverständlich und gewandt plaudert, aus dem Wörterbuch gelernt. Und beschlossen, dass er noch ein wenig länger im Ländle bleibt. Aus dem Ferienjob in einem Labor in Cannstatt wurde eine feste Stelle. Knapp drei Jahre hat Mirko Vidackovic dort gearbeitet. Weil er schnell gut Deutsch sprach, konnte er seinen Landsleuten helfen: „Ich habe zum Beispiel Briefe für sie übersetzt.“

Familienzusammenführung, Kindergeld, Kündigung – Mirko Vidackovic wusste bald nur zu gut, wo Menschen, die in einem neuen Land leben, der Schuh drückt. Der Mann mit dem Faible für Naturwissenschaften half nur zu gerne, von 1971 an sogar hauptberuflich. Da stellte ihn die katholische Diözese Rottenburg nämlich als Pfarramtshelfer und Sozialarbeiter bei der kroatischen Mission in Waiblingen an. Mirko Vidackovic organisierte Familienseminare und beriet Migranten aus dem ehemaligen Jugoslawien. „Heute sagt man dazu Integration.“ In Schorndorf, Backnang und im Caritas-Zentrum in Waiblingen hielt er regelmäßig Sprechstunden ab – und dachte in dieser Zeit immer noch daran, nach Kroatien zurückzukehren. Im Jahr 1973 heiratete er seine Frau Stanka, die als Gemeindereferentin bei der kroatischen Mission arbeitete und Theologie studiert hat.

Vereinsgründer und Kirchengemeinderat

Von da an sei das Thema Rückkehr vom Tisch gewesen, erinnert sich Vidackovic, der von sich sagt: „Ich habe zwei Heimaten.“ Die drei Söhne von Stanka und Mirko Vidackovic sind allesamt in Deutschland geboren und haben hier studiert. So wie ihr Papa, der sich im Alter von 48 Jahren zu einem Fernstudium der Sozialarbeit entschlossen hat. Für die rund 700 Menschen mit kroatischem Pass, die im Rems-Murr-Kreis leben, aber auch für andere Migranten, ist er viele Jahre ein wichtiger Ansprechpartner gewesen.

Bereits 1971 hat Vidackovic in Stuttgart einen Fußballverein mitbegründet. Einige Zeit später war er mit dabei, als in Waiblingen der Kultur- und Sportverein Zrinski aus der Taufe gehoben wurde. Seit mehr als 20 Jahren ist er dessen Vorsitzender, obendrein war er Mitglied des Gemeinderats der St. Antonius-Gemeinde. „Die Kirche kennt keine Pässe“, sagt Mirko Vidackovic, der überzeugt ist, dass er und seine katholischen Landsleute es dadurch leichter hatten, als etwa Muslime.

Im Integrationsrat setzt sich der 68-Jährige noch heute für ein gutes Miteinander aller Waiblinger ein. Und er hilft trotz Ruhestand weiterhin seinen Landsleuten: „Ich berate ehrenamtlich bei der Caritas.“

Höchste Anerkennung für herausragendes Engagement

Ehrung
Zehn Frauen und 15 Männer erhalten am 10. Juli im Berliner Schloss Bellevue den Verdienstorden. Alle haben sich in besonderer Weise um die Integration von Migranten verdient gemacht. Drei der Geehrten leben in Baden-Württemberg: die Schwaikheimerin Susanne Saltikiotis, der Waiblinger Mirko Vidackovic und der ehemalige Integrationsbeauftragte der Stadt Ludwigsburg, Saliou Gueye. Er leitet seit einem Jahr die „Koordinierungsstelle Ulm: Internationale Stadt“.

Verdienstorden
Es gibt acht Stufen des Verdienstordens. Die Verdienstmedaille und das Verdienstkreuz am Bande werden meist als Erstauszeichnung verliehen. Dass der Bundespräsident diese persönlich überreicht, ist eine Ausnahme – meist ist es Aufgabe der Ministerpräsidenten.

Träger
Theodor Heuss hat den Verdienstorden 1951 gestiftet. Seitdem wurde er rund 248 400 Mal verliehen