Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass ein kirchliches Krankenhaus einem Arzt kündigen darf, der in zweiter Ehe geheiratet hat. Dem Mediziner bleibt jedoch eine Hintertür offen, um seinen Arbeitsplatz doch noch zu behalten.

Karlsruhe - Ein katholisches Krankenhaus darf einem Chefarzt kündigen, weil dieser nach der Scheidung seiner ersten Ehe erneut geheiratet hat. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden und ein entgegenstehendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts aufgehoben. Die Richter leiten aus der Glaubensfreiheit ein kirchliches Sonderrecht ab, in Arbeitsverträgen auch das Privatleben ihrer Arbeitnehmer nach den kirchlichen Maßstäben regeln zu können. Staatliche Gerichte dürften sich darüber nicht hinwegsetzen.

 

Der Arbeitgeber wusste von der neuen Partnerin

Der Arzt hatte nach der staatlichen Scheidung seiner ersten Ehe deren Annullierung auch nach kirchlichem Recht angestrebt. Er hatte dann zunächst – mit Wissen des Arbeitgebers – drei Jahre mit einer neuen Partnerin zusammengelebt, die er 2008 heiratete. 2009 wurde ihm gekündigt.

Die Richter sagen, bei dem Krankenhaus handele es sich nicht um eine der Gewinnerzielung dienende Einrichtung, sondern um einen Teil von „Sendung und Auftrag der Kirche im Geist ihrer Religiosität“. Arbeitnehmer hätten deshalb besondere Loyalitätspflichten. Daran ändere nichts, dass die Kirche auch nicht-katholische Arbeitnehmer beschäftige, dass das Krankenhaus zwei andere Ärzte trotz erneuter Ehe weiterbeschäftigt und das nichteheliche Zusammenleben hingenommen habe. Denn der „Ehebruch“, obwohl von der Kirche missbilligt, habe für sie „nicht dasselbe Gewicht“ wie eine Wiederverheiratung als „kaum mehr änderbarer Dauerzustand“.

Das Gericht öffnet eine Hintertür

Der Arzt darf dennoch hoffen. Denn das Bundesarbeitsgericht muss nun erneut nach den Vorgaben der Verfassungsrichter entscheiden, und die haben eine Hintertür geöffnet. Da im Arbeitsvertrag sowohl das nichteheliche Zusammenleben wie die Wiederheirat unterschiedslos als Kündigungsgrund genannt seien, könne bei dem Arzt das Vertrauen gewachsen sein, sein Arbeitgeber werde nach der Hinnahme des Zusammenlebens auch die neue Heirat akzeptieren. Für die Zukunft bedeutet dies freilich, dass kirchliche Einrichtungen entweder bereits beim Zusammenleben kündigen oder aber festschreiben müssen, dass nur eine Wiederheirat ein Kündigungsgrund ist – was sie kaum tun werden.

Die Entscheidung steht in einem Spannungsverhältnis zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der die Kündigung eines Kirchenmusikers wegen erneuter Heirat als unzulässig eingestuft hatte. Sie fällt in einer Zeit, da die katholische Kirche selbst vorsichtig versucht, ihre strenge Dogmatik zu lockern und auf Wiederverheiratete zuzugehen. (Aktenzeichen: 2 BvR 661/12)