Das Verfassungsgericht erklärt die Besetzung des 4. Strafsenats für korrekt. Ein Richter, der seine Beförderung erzwingen will, erleidet eine erste Niederlage.

Karlsruhe - Seit Monaten quält den Bundesgerichtshof (BGH) ein Richterstreit. In diesem Streit hat sich nun das Bundesverfassungsgericht auf die Seite des BGH-Präsidiums und des BGH-Präsidenten Klaus Tolksdorf gestellt. Die Verfassungsrichter erklärten in einem gestern veröffentlichten Beschluss die Besetzung des 2. Strafsenats für verfassungskonform.

 

Hintergrund der Entscheidung ist die Klage des Bundesrichters Thomas Fischer, der nicht zum Vorsitzenden Richter des 2. Strafsenats befördert worden ist, obwohl er sich selbst für besonders qualifiziert hält. Fischer, dessen fachliche Qualifikation unbestritten ist, war von Tolksdorf in der Vergangenheit besonders gut, bei der für die Beförderung entscheidenden Beurteilung aber nicht mehr mit Bestnote beurteilt worden. Vorausgegangen waren die Bitten von drei Richtern, den Senat wechseln zu können, weil sie Probleme mit Fischers Persönlichkeitsstruktur hatten. Vor diesem Hintergrund hatte Tolksdorf leise Zweifel an den Führungsfähigkeiten des als eigenwillig, auch als selbstherrlich geltenden Fischer angedeutet.

Richterstreit legte Gericht zeitweise lahm

Bekannt wurde dies nur, weil Fischer eine „Konkurrentenklage“ anstrengte, mit der er die Beförderung eines Kollegen zunächst verhinderte. Das Verwaltungsgericht entschied im Eilverfahren zu Gunsten Fischers und erklärte seine Beurteilung für nicht überzeugend. Daraufhin formulierte Tolksdorf eine neue, noch schlechtere Beurteilung. Die Klage ist noch anhängig.

Da die Stelle des Senatsvorsitzenden deshalb monatelang unbesetzt blieb, übertrug das Gerichtspräsidium die Leitung des Senats vorübergehend dem Richter Andreas Ernemann, der bereits den 4. Strafsenat leitet. Dies wiederum veranlasste drei Richter des 2. Strafsenats im Januar 2012, ihre Urteilstätigkeit einzustellen. Sie behaupteten, der Doppelvorsitz, der auch an anderen Bundesgerichten praktiziert wird, sei verfassungswidrig. Ernemann sei überlastet, obwohl der sich selbst nicht für überlastet hält. Dies verstoße gegen das Gebot des gesetzlichen Richters. Nachdem das Präsidium auf seiner Entscheidung beharrte, fertigten die Richter zwar wieder Urteile, forderten aber in einem Beschluss die Rechtssuchenden faktisch dazu auf, das Bundesverfassungsgericht in dieser Frage anzurufen.

Richter dürfen auch mehr als üblich arbeiten

Dies taten mehrere beim Bundesgerichtshof unterlegene Kläger. Ihre Verfassungsbeschwerden wurden jetzt abgewiesen. Die Begründung dieser Entscheidung ist faktisch vor allem an Fischer und die beiden anderen BGH-Rebellen gerichtet. Die Belastung eines Richters, so die Verfassungshüter, führe nicht zu einem Verstoß gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter. Kein Richter sei gezwungen, mehr zu arbeiten, als seine Kollegen durchschnittlich arbeiten. Wenn aber ein besonders leistungsfähiger Richter besonders viel arbeite, dann sei das seine Sache und Teil seiner Unabhängigkeit.

Pikiert sind die Verfassungsrichter über die Behauptung der BGH-Rebellen, der Doppelvorsitz führe zu einer Überlast, weil der Chef alle Akten lesen müsse. Tatsächlich sei von jedem Richter zu fordern, dass er vollständig über den Streitstoff informiert ist. (Aktenzeichen: 2 BvR 610/12)