Die Bundeswehr ersetzt die 52 Kreiswehrersatzämter durch 16 Karrierecenter. Die Unruhe der Mitarbeiter ist beträchtlich.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Für tauglich befunden werden sie seit geraumer Zeit nicht mehr – nun steht ihre Ausmusterung bevor. Ende November werden die 52 letzten Kreiswehrersatzämter sowie die fünf Zentren für Nachwuchsgewinnung aufgelöst. Nach der Abschaffung der Wehrpflicht vor 17 Monaten geht die Truppe im Dezember mit modernisierten Strukturen auf eine zunehmend mühsame Nachwuchssuche.

 

Dabei wird auch der sperrige Titel Kreiswehrersatzamt, der über Jahrzehnte mehr Unbehagen als Ansporn bei den jungen Männern hervorgerufen hat, durch zeitgemäße Bezeichnungen ersetzt: Künftig sollen bundesweit 16 Karrierecenter und 110 Karriereberatungsbüros die Freiwilligen anlocken, die eine Laufbahn „beim Bund“ anstreben. Das bedeutet auch: Bisher gab es für die angehenden Rekruten, Zeitsoldaten und Wehrverwalter mehrere Anlaufstellen – nun stellt sich die Truppe als einheitlicher Arbeitgeber dar.

Erfolgsslogan „Wir. Dienen. Deutschland.“

Mit großem Aufwand gibt sich die Bundeswehr ein modernes Gesicht. Als ersten Erfolg werten die Öffentlichkeitsarbeiter auf diesem Weg den Werbeslogan „Wir. Dienen. Deutschland.“, der zunächst nur als Kampagnentitel eingeführt wurde und nun fester Bestandteil der Selbstdarstellung geworden ist, weil er beispielsweise bei Facebook so gut ankommt.

In Stuttgart wird eines von bundesweit acht Karrierecentern mit „Assessment“-Funktion angesiedelt. Das heißt: Nur hier werden die Bewerber auf ihre Eignung geprüft und für gut befunden. Das Sagen in der bisherigen Männerbastion hat künftig eine Frau: Sylvia Jahnz, die bisher das Kreiswehrersatzamt Karlsruhe geleitet hat. Der parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt (CSU), übergibt der Regierungsdirektorin am Dienstag die Geschäfte.

Unruhe in der Wehrbereichsverwaltung

Weil im Zuge der Reform ganze Ebenen gestrichen werden, entfällt Ende Juni 2013 auch die bisher übergeordnete Wehrbereichsverwaltung. Somit sind 6000 bis 7000 zivile Mitarbeiter der insgesamt 16 000-köpfigen „WBV Süd“ zu viel an Bord. Sie gehen in den Vorruhestand oder wechseln den Dienstherrn; betriebsbedingte Kündigungen sollen ausbleiben. Viele arbeiten künftig beim Zoll, dem Bundesamt für zentrale Dienste oder dem Bundesverwaltungsamt. Kurios: Dank einer fünfjährigen „Dienstort-Garantie“ wechseln etliche Mitarbeiter, die mit Beihilfe oder Versorgung befasst waren, quasi nur ihr Türschild aus. Künftig sind sie nicht mehr für das Ressort Verteidigung, sondern beispielsweise für das Innen- oder Finanzministerium tätig. Der Personalabbau der Bundeswehr bringt insofern noch keine Einsparung – er ist hier ein Trick des Verteidigungsministers, der sein Zivilpersonal von 76 000 auf 55 000 Dienstposten reduzieren muss.

Eine interne Studie hatte unlängst an den Tag gebracht, dass die Stimmung unter den Zivilbeschäftigten auf dem Tiefpunkt ist. Hauptkritikpunkt ist die mangelhafte Information der Mitarbeiter über ihre persönliche Zukunft. Als sich neulich die Präsidenten der möglichen neuen Dienstherrn in Stuttgart vorstellten, zeigten sich viele – wie es heißt – ein wenig beruhigt.

Ein Stück bundesdeutscher Geschichte

Mit den Kreiswehrersatzämtern wird ein Stück bundesdeutscher Geschichte ins Archiv geschickt, das seit Einführung des Grundwehrdienstes zum 1. April 1957 Generationen von Männern geprägt hat. Ende 2010 wurde die verpflichtende Einberufung gestoppt, bis dahin nahm die Truppe mehr als 20 Millionen Musterungen vor. Knapp 8,5 Millionen Grundwehrdienstleistende und freiwillig länger Wehrdienstleistende wurden bis Januar 2011 zum Dienst an der Waffe „gezogen“. Das Rekordjahr war 1973 mit 230 000 Wehrpflichtigen, während 2010 nur noch 11 500 junge Männer einberufen wurden. Die meisten Kreiswehrersatzämter gab es direkt nach der Wiedervereinigung mit 123. Seither wurde ausgedünnt.