SPD und Grüne schränken in mehreren Ländern die Kooperation mit der Bundeswehr ein. Die muss um ihren Nachwuchs hart kämpfen seit der Einführung der Freiwilligenarmee.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Seit der Einführung der Freiwilligenarmee muss die Bundeswehr hart kämpfen, um motivierten Nachwuchs anzulocken. Wie sie das macht, stößt im linken politischen Spektrum auf wachsenden Unmut. Die gemeinsame Werbung mit der Jugendzeitschrift „Bravo“ zum Beispiel – inklusive eines Wettbewerbs für die „BW-Adventure-Camps 2012“ – wird als grobe Verharmlosung angesehen. Ähnlich werden die in jährlich 34 Städten veranstalteten „Karriere-Treffs“ beurteilt. Statt der Kriegsfolgen würden lediglich der Abenteuer-, Sport- und Spaßfaktor der Truppe herausgestellt, sagen die Gegner.

 

Auch die Auftritte der Jugendoffiziere in den Schulen stehen – wieder einmal – in der Kritik. Den friedensbewegten Gruppierungen missfällt es von jeher, dass die Bundeswehr im Klassenzimmer für sich werben darf. Im Verbund mit einem Teil der Gewerkschaften üben sie Druck aus, die Zusammenarbeit von Schulen und Militär zu beenden. Dort, wo die ihnen nahestehenden Sozialdemokraten und Grünen an der Macht sind, kommen sie diesem Ziel nun näher. So kündigt Baden-Württembergs Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) an, „den Kooperationsvertrag, so wie er jetzt existiert, nicht fortzusetzen“. Stattdessen wolle sie mit der Bundeswehr und den Friedensinitiativen Gespräche führen mit der Absicht, zu einer gemeinsamen Vereinbarung zu kommen. Dies könnte darauf hinauslaufen, Militärs und Friedensorganisationen künftig die gleichen Rechte einzuräumen.

„Für beide Seiten Gewinn bringend“

Baden-Württemberg wird von elf Jugendoffizieren betreut – jeder von ihnen absolviert 80 bis 120 Auftritte pro Jahr in zehnten Klassen oder vor älteren Jahrgängen. Die Bundeswehr schreibt zu Schuljahresbeginn alle weiterführenden Schulen an, aber Schulleiter und Lehrer können auch auf die Truppe zugehen. Die Jugendoffiziere diskutieren mit den Schülern über Sicherheitspolitik und bilden Pädagogen fort. Besuche in der Kaserne werden ermöglicht, ebenso Seminare mit Fahrten nach Berlin, Brüssel, Wien oder Straßburg.

Informationen zur globalen Krisenbewältigung seien bei den Auftritten genauso einzubeziehen wie Informationen zu nationalen Interessen, heißt es in der Kooperationsvereinbarung von  Dezember 2009. Unterzeichnet wurde sie vom damaligen Kultusminister Helmut Rau (CDU) und vom Befehlshaber im Wehrbereich IV, Gert Wessels. Aus Sicht der früheren Landesregierung verlief die Zusammenarbeit „für beide Seiten gewinnbringend“ – so sieht es auch die Bundeswehr.

Bisher seien beim Wehrbereichskommando in München noch keine Veränderungswünsche aus Stuttgart eingegangen, sagt der Sprecher des Generalmajors, Carsten Spiering. Den Vorwurf, dass sich die Jugendoffiziere im Unterricht auf die Suche nach neuen Freiwilligen machten, weist er strikt zurück: „Eine Nachwuchswerbung findet in keiner Weise statt“, betont der Presseoffizier. Dies wäre nach dem Kooperationsvertrag auch gar nicht zulässig.

Wird die Kooperation im Südwesten gekündigt?

Ähnliche Abkommen gibt es seit wenigen Jahren in mehr als einem halben Dutzend Bundesländern. Auch in Nordrhein-Westfalen beabsichtigt Rot-Grün Korrekturen. Allerdings will sie die Präsenz der Bundeswehr an den Schulen nicht gänzlich unterdrücken. Vielmehr sollen die Institutionen der Friedensbewegung gleichgewichtig berücksichtigt werden. Verhindert wird künftig jedoch der Einfluss auf die Lehrerausbildung – die sogenannten Studienseminare werden ausgeklammert.

Erstmals könnte die Kooperation aber in Baden-Württemberg gekündigt werden, hoffen die Gegner, die eineinhalb Jahre nach der Landtagswahl immer ungeduldiger werden. Nach einer schriftlichen Zusage der grünen Landtagsfraktion und aufgrund von Signalen aus der SPD sehen sie sich mit der Kampagne „Schulfrei für die Bundeswehr“ kurz vor dem Durchbruch. Die Grüne Jugend fordert zudem die verbindliche Einführung einer Zivilklausel an allen Hochschulen und staatlichen Forschungseinrichtungen per Landeshochschulgesetz – somit eine Forschung zu rein zivilen Zwecken, was die grüne Wissenschaftsministerin Theresia Bauer ablehnt.

Das Bündnis macht mobil, damit Grün-Rot den Worten zügig Taten folgen lässt. Nach einer bundesweiten Aktionswoche Ende September ist für den 20. Oktober eine zentrale Demonstration der Antimilitaristen in Stuttgart geplant. Bereits am morgigen Dienstag lädt die Bundeswehr in Baden-Württemberg etwa 270 Gäste ins Stuttgarter Neue Schloss ein – zum letzten ihrer traditionellen Jahresempfänge. Vom grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann wird ein offenes Wort zu der in Frage gestellten Kooperation in den Schulen erwartet – doch er muss aufpassen, die Truppe nicht vor den Kopf zu stoßen.