Eine telefonische Umfrage bei 1800 Angehörigen der Bundeswehr fördert die Unzufriedenheit der Soldaten zu Tage. Die Bundeswehrreform gilt als ein Ärgernis.

Berlin - Die Reform der Bundeswehr stößt in weiten Teilen der Truppe auf Ablehnung. Nach einer gestern in Berlin vorgestellten Studie unter Angehörigen der mittleren militärischen Führungsebene erhalten die Reformvorhaben als solche zwar von zwei Drittel der Befragten positive Bewertungen. Laut der Studie der Technischen Universität Chemnitz im Auftrag des Bundeswehrverbandes glaubt die Hälfte der Teilnehmer zudem, dass die Neuausrichtung die Einsatzorientierung der Truppe prinzipiell verbessern kann. Die tatsächliche Umsetzung der Neustrukturierung fällt allerdings glatt durch. Fast 90 Prozent sehen bei ihr gravierende Mängel und fordern dringend eine Korrektur.

 

81 Prozent der befragten Angehörigen der mittleren Ebene monieren eine erhöhte Belastung für die Soldaten. Negative Auswirkungen der Reform auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie kritisieren Dreiviertel, ebenso viele sehen seit der Neuausrichtung eine Verschlechterung der Stimmung innerhalb der Truppe sowie eine Abnahme der Berufszufriedenheit der Soldaten. Drei von fünf Befragten sehen nachteilige Folgen für die Attraktivität des Arbeitgebers Bundeswehr, mehr als die Hälfte beobachtet eine verringerte Motivation der Soldaten.

Klagen über fehlende Karrierechancen und den Sold

Klaren Handlungsbedarf sieht eine Mehrheit von 61 Prozent der Kommandeure, Kompaniechefs und Kompaniefeldwebel auch bei den Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten. 57 Prozent halten die Besoldung für verbesserungswürdig. Dreiviertel finden zudem, dass ihre eigenen Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Umsetzung der Bundeswehrreform schlecht bis sehr schlecht sind. Als weiteres Ergebnis sieht die Umfrage nachteilige Folgen für die Nachwuchsgewinnung. Hier werde die Bundeswehr in Zukunft „äußerst große Probleme“ haben. Rund zwei Drittel der Befragten gaben sogar an, sie würden ihnen nahe stehenden Personen wie etwa den eigenen Kindern den Dienst in den Streitkräften nicht empfehlen. 58 Prozent haben im Zuge der Bundeswehrreform darüber nachgedacht, den Dienst in der Truppe zu quittieren. Zwei von Dreien würden sich heute nicht noch einmal für eine Karriere in der Bundeswehr entscheiden.

Der Bundeswehrverband drängt die Politik zum Handeln

Der Chemnitzer Politikwissenschaftler Gerd Strohmeier, der die Umfrage leitete, nannte die Ergebnisse „alarmierend“. Sie signalisierten „einen akuten politischen Handlungsbedarf“. Die Reform drohe sonst zur „Dauerbaustelle“ zu werden, die die Soldaten zunehmend belaste und die Aufgabenerfüllung der Bundeswehr gefährde.Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Ulrich Kirsch, drängte die Politik zum Handeln. „Wenn nicht schnell etwas passiert, wird die Reform kippen“, warnte er. Er könne nicht erkennen, dass die Bundesregierung die Neuausrichtung gemeinschaftlich zum Erfolg führen wolle. „Es muss dringend nachgesteuert werden, damit nicht in kurzer Zeit die nächste Reform aufgelegt werden muss“, betonte Kirsch.

An der Briefumfrage zwischen Ende Juli und Ende Juli beteiligten sich rund 1800 Bundeswehrangehörige. Das Verteidigungsministerium hatte nach Gewerkschaftsangaben die Teilnahme an der Befragung empfohlen.