Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière hat mit Norbert Lammert verabredet, das öffentliche Gelöbnis der Bundeswehr künftig nicht mehr nur vor dem Reichstag abzuhalten – nicht ohne Gegenwehr zu provozieren.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Berlin - An Entscheidungsfreude mangelt es dem Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) nicht. Dies provoziert freilich Gegenwehr, wenn es sich um einsame Entscheidungen handelt. Ohne großes Aufsehen hat er mit dem Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) verabredet, das öffentliche Gelöbnis künftig nicht mehr nur vor dem Berliner Reichstag, sondern im zweijährigen Wechsel auch vor dem Ehrenmal an seinem Ministerium abzuhalten. Nicht einmal den Wehrpolitikern wie dem Nürtinger Abgeordneten Rainer Arnold (SPD) war die neue Marschrichtung im Vorfeld bewusst.

 

So gelobten am Freitagabend 400 Soldaten auf dem Antreteplatz des Bendlerblocks, „der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“. Das Datum 20. Juli erinnert an jenen Tag, an dem 1944 das Attentat auf Adolf Hitler fehlschlug. Die Verschwörer um Oberst Graf von Stauffenberg wurden damals im Hof des Gebäudes hingerichtet.

Der Streit entbrennt in einer Umbruchphase

Weil das Gelände weiträumig abgesperrt wurde, störten weder die Trillerpfeifen noch Vuvuzelas von etwa 150 Demonstranten. Eine schrille Begleitmusik lieferte stattdessen die Diskussion über den Ort der Veranstaltung. Etliche Politiker sehen wenig Sinn darin, dass sich die Truppe nach nur vier Gelöbnisfeiern vor dem Reichstag wieder hinter den hohen Zaun zurückzieht. Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus (FDP) moniert: „Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee und kein Ministerialheer.“ Er hätte es eine schöne Tradition gefunden, wenn das Gelöbnis stets am Reichstag abgehalten würde.

Nun entbrennt der Streit ausgerechnet ein Jahr nach Einführung des freiwilligen Wehrdienstes, der die Bundeswehr dazu zwingt, sich offensiver noch als zuvor in der Öffentlichkeit zu präsentieren – einerseits zur bessern Nachwuchswerbung, andererseits um dem Vorwurf zu begegnen, dass sich die Berufsarmee von der Gesellschaft abschotten könnte. Folglich sagt Arnold: „Die Veranstaltung gehört vor das Parlament.“ Es gebe keinen besseren Platz, an dem so symbolträchtige Bilder entstehen.

Im ARD-„Morgenmagazin“ lieferte der Verteidigungsminister eine eher gedrechselte Begründung für den Rückzug. Der Platz zwischen Kanzleramt und Reichstag stehe für das Zusammenwirken von Regierung und Parlament dafür, „dass wir eine Armee haben, wie sie ausgerüstet ist und in welche Einsätze wir sie schicken“. Der Platz am Bendlerblock stehe dafür, wie die Bundeswehr geführt werde und welche Folgen das haben könne. „Das eine betrachtet das Ob, das andere das Wie. Das abwechselnd in den Mittelpunkt zu stellen, finde ich sehr gut“, sagte de Maizière.

Im Widerspruch zum Bundespräsidenten

Verständlichere Worte fand am Abend der Generalinspekteur Volker Wieker: „Im vergangenen Jahr haben wir die Gelöbnisfeier vor dem Sitz des Bundestages begangen – jener Ort mit der Inschrift ‚Dem deutschen Volke‘ macht uns deutlich, wem wir dienen“, sagte er den Soldaten. „Heute sind Sie vor dem Ehrenmal angetreten und schauen auf die Gedenkstätte Deutscher Widerstand im Bendlerblock – uns wird hier in seiner ganzen Tragweite bewusst, was das Dienen ausmacht.“

Beide begeben sich aber in Widerspruch zum Bundespräsidenten. Joachim Gauck hatte vor einem Monat vor der Führungsakademie in Hamburg eine Ignoranz der Bevölkerung gegenüber den Streitkräften und eine Tendenz zum „Nicht-wissen-Wollen“ bemängelt. Derzeit sei die Truppe im öffentlichen Bewusstsein nicht sehr präsent. Sie habe aber einen Anspruch darauf, dass die Gesellschaft sich bewusst mache, was den Soldaten abverlangt werde. Das dürfe nicht allein in Führungsstäben und im Parlament debattiert werden, sondern gehöre „in die Mitte unserer Gesellschaft“.

2008 hatte Ex-Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) dafür gesorgt, dass die Rekrutenvereidigung auf dem Platz der Republik ausgerichtet wurde. Damals hatte Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) einen bemerkenswerten Auftritt. Beide sprachen sich dafür aus, den Ort beizubehalten.

Dies soll nun wenigstens alle zwei Jahre so sein. Wenn das Gelöbnis 2013 wieder am Reichstag stattfindet, dürfte freilich ein anderer Termin gewählt werden. Denn am 20. Juli lassen sich die meisten Politiker nicht so gern auf Militärtraditionen ein, weil sie dann daheim oder im Urlaub weilen.