Braucht die Bundeswehr Kampfdrohnen? Darüber muss die große Koalition entscheiden. Ministerin von der Leyen bleibt die Antwort vorerst schuldig.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Beim Stichwort Drohnen denken viele Menschen an Computerspiele am Joystick oder Science-Fiction. Dabei ist der Einsatz unbemannter Luftfahrzeuge in Streitkräften schon lange Normalität. Anfang der 90er Jahre begann die Entwicklung. Sie verlief rasant. Das Bundesverteidigungsministerium geht davon aus, dass inzwischen mehr als 50 Staaten unbemannte Flugzeuge einsetzen; andere Quellen verweisen auf bis zu 90 Länder mit Aufklärungsdrohnen in ihrem Arsenal.

 

Laut Generalinspekteur Volker Wieker haben Drohnen der internationalen Isaf-Truppen 2012 allein in Afghanistan 350 000 Flugstunden absolviert. Sie sind als Aufklärer eingesetzt und dienen der Beobachtung von Gegnern und dem Schutz der eigenen Soldaten. Zum Vergleich: 2003 waren US-Drohnen im Irak und in Afghanistan 35 000 Stunden lang in der Luft.

Bundeswehr verfügt über fünf Drohnentypen

Die Drohnenflotte der Bundeswehr ist mittlerweile auf fast 600 Exemplare angewachsen. Abgesehen vom Prototyp des Euro Hawk, der im vergangenen Jahr wegen Finanzierungs- und Genehmigungsproblemen Schlagzeilen gemacht hat, besitzt das Heer fünf Drohnentypen für verschiedene Einsatzszenarien. In dieser Wahlperiode muss die große Koalition beschließen, ob die Bundeswehr auch Kampfdrohnen bekommt. Bei der Anhörung des Verteidigungsausschusses am 30. Juni in Berlin wird ein breites Spektrum von Drohnenexperten vertreten sein: Völkerrechtler, Politologen, Luftfahrtexperten, Vertreter der Friedensbewegung und der Bundeswehr sollen möglichst viele Facetten des Themas beleuchten. Denn die Entscheidung ist höchst umstritten. Viele Bürger halten bewaffnete Drohnen für Killermaschinen, die bei feigen – weil lautlosen und unsichtbaren – Angriffen viel zu häufig Unschuldige töten. Viele Kritiker meinen, dass diese Waffensysteme bei den in sicheren Kommandozentralen sitzenden Drohnenpiloten die Hemmschwelle zum Töten senken und Staatenlenker – wegen der geringeren Risiken für Leib und Leben der eigenen Soldaten – leichtfertiger zum Einsatz militärischer Mittel verleiten könnte.

Drohneneinsatz der USA prägt die Debatte über diese Waffen

Dass unbemannte Flugzeuge Waffen tragen und abfeuern, ist nicht neu. Harald Müller, Politologe und Geschäftsführer der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, datiert den ersten Angriff von raketenbestückten US-Drohnen der Marke Predator auf 2002. Sie feuerten in Afghanistan und im Jemen auf mutmaßliche Al-Kaida-Mitglieder. Der Drohneneinsatz der USA belastet und prägt die Debatte über diese Waffen. Experten streiten darüber, wie viele bewaffnete Einsätze genau die USA mit Drohnen geflogen haben und wie viele Menschen dabei getötet wurden. Schätzungen nennen bis zu 3000 Opfer, ein Viertel davon Zivilisten.

Unstrittig ist, dass die Zahl der Drohnenangriffe unter US-Präsident Barack Obama massiv ausgeweitet wurde. Sie kamen in Afghanistan, Pakistan, im Jemen, in Somalia und in Libyen zum Einsatz. Genaues weiß man nicht darüber; die Einsätze werden vom US-Präsidenten genehmigt, Transparenz gibt es nicht. Manfred Suermann, wissenschaftlicher Referent im katholischen Militärbischofsamt, geht davon aus, dass die USA inzwischen mehr Drohnen- als Flugzeugpiloten ausbilden. In seinen Augen ist die Drohne binnen zehn Jahren deren wichtigste Waffe im Kampf gegen den Terror geworden.

Viele Drohneneinsätze der USA verstoßen gegen das Völkerrecht

Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler spricht von einem Strategiewechsel der USA: Weg von Militärinterventionen durch Bodentruppen mit dem Ziel, einen Staat auf- oder umzubauen, um dem Terrorismus den Nährboden zu entziehen; stattdessen setzten die USA nun auf „die selektive und doch omnipräsente Bekämpfung von Terroristen“ durch Drohnen. Münkler beschreibt Kampfdrohnen als technische Antwort auf Selbstmordattentate: „Was in der Terrorstrategie der Selbstmordattentäter ist, ist in der ,westlichen‘ Reaktion die raketenbestückte Drohne. Das suizidale Opfer wird technologisch gekontert“, schreibt Münkler. Er erwartet, dass Drohnen sich durchsetzen, weil die postheroischen Gesellschaften des 21. Jahrhunderts „ein hohes Maß an Sicherheit wollen, aber dafür nur geringe Opfer zu bringen bereit sind“. In Europa und hierzulande sind sich die meisten Völkerrechtler einig, dass viele Drohneneinsätze der USA in Pakistan, Jemen und Somalia gegen das Völkerrecht verstoßen. Das sieht auch der Gießener Völkerrechtler Thilo Marauhn nicht anders. Er stellt aber heraus, dass Drohnen nicht per se unvereinbar mit dem Völkerrecht seien, und verweist auf viele Details, die bei der rechtlichen Würdigung zu beachten sind. Würden solche Systeme in völkerrechtlich zulässigen bewaffneten Konflikten benutzt und die generellen Regeln für den Waffeneinsatz beachtet, sei das rechtens. „Es kommt darauf an, wie sie eingesetzt werden“, betont Marauhn. „Es gibt viele Streitfälle im Völkerrecht – aber keinen, der nur aus dem Einsatz unbemannter Systeme entsteht.“

Kampfdrohneneinsatz ist eine politische Entscheidung

Rechtlich gibt es keinen Grund, den Einsatz von Kampfdrohnen grundsätzlich abzulehnen. Es ist eine politische Entscheidung, ob und wie sie benutzt werden. Die Befürworter dieser Technologie führen vor allem ein Argument ins Feld: dass Drohnen die Gefahren für die eigenen Soldaten mindern. Deshalb sprechen sich etwa der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes André Wüstner und der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus dafür aus, die Bundeswehr mit Kampfdrohnen auszurüsten. In der Generalität hat der Luftwaffen-Inspekteur Karl Müllner sich bisher am unmissverständlichsten für die Anschaffung von Kampfdrohnen ausgesprochen, obwohl sie zum Heer gehören und gar nicht in seine Zuständigkeit fallen. „Die künftigen Drohnen müssen bewaffnet sein“, fordert er. Soldaten sei nicht zu vermitteln, warum im Gefecht aus politischen Gründen erst ein bemanntes Flugzeug zur Luftunterstützung angefordert werden müsse, für etwas, das auch eine Drohne hätte leisten können. „In der Viertelstunde, in der die Soldaten auf das Flugzeug warten müssen, das das Gleiche tut, was auch eine bewaffnete Drohne gekonnt hätte, sterben womöglich ihre Kameraden“, sagt Müllner. „Man sollte Vertrauen haben, dass so eine Waffe von uns nur rechtmäßig eingesetzt wird.“