Wie erleben und verarbeiten Betroffene eine ungewollte Schwangerschaft? Dazu gibt es neue Forschungsergebnisse.

Im Rahmen der bundesweiten Studie „Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung“ (Elsa) haben sich über 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit der Situation von ungewollt Schwangeren beschäftigt. Ihre Ergebnisse weisen auf große Lücken in der medizinischen Versorgung hin. Sie belegen außerdem, dass Schwangerschaftsabbrüche langfristig keinen Effekt auf die psychische Gesundheit haben.

 

Angestoßen wurde die Studie 2019 vom damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der untersuchen lassen wollte, wie sich Schwangerschaftsabbrüche auf die Psyche von Betroffenen auswirken. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kritisierten den Vorschlag damals als tendenziös – zumal Studien aus anderen Ländern schon widerlegt hatten, was Spahn suggerierte: dass Abbrüche langfristig psychisch krank machen würden.

Der Vorstoß wurde aber trotzdem umgesetzt. Allerdings erweiterten die Forscherinnen und Forscher den Fokus der Studie und schauten die Situation von ungewollt Schwangeren insgesamt an – und nicht nur von jenen, die sich für einen Abbruch entschieden hatten.

Online-Befragung von über 5000 Frauen

Um die Lebenslagen ungewollt Schwangerer und die Einflüsse auf deren psychisches Wohlergehen zu identifizieren, wurden über 5000 Frauen online befragt – 4429 Frauen, die eine ungewollte oder gewollte Schwangerschaft ausgetragen haben und 608 Frauen, die sich für einen Abbruch entschieden haben. Letztere gaben zu ihren Lebensumständen unter anderem an, sich in einer finanziell sehr angespannten Situation zu befinden (47 Prozent), eine krisenhafte oder keine Partnerschaft zu haben (42 Prozent) oder noch in Ausbildung, im Studium oder ohne Job zu sein (36 Prozent).

Das Forschungsteam befragte die Frauen auch nach ihrem psychischen Wohlbefinden kurz nach dem Abbruch. Sie konnten feststellen, dass 83 Prozent der Befragten ein „internalisiertes Stigma“, also Selbstvorwürfe, Schuld und Scham durchlebt haben, 74 Prozent sich wegen Reaktionen des Umfelds sorgten und 29 Prozent mindestens eine stigmatisierende Erfahrung gemacht haben. Trotzdem zeigte sich, dass es langfristig keinen Einfluss auf die psychische Gesundheit hat, wenn eine ungewollte Schwangerschaft abgebrochen wird.

Je nach Region müssen die Betroffenen dafür aber eine längere Anreise auf sich nehmen, denn: Die Verfügbarkeit von Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, unterscheidet sich stark. Das Forschungsteam untersuchte, in welchen Landkreisen mehr als fünf Prozent der Bevölkerung länger als 40 Minuten mit dem Auto zu einer entsprechenden Einrichtung unterwegs wären. Es stellte fest, dass das auf 85 von 400 Landkreise zutrifft. Das entspricht einem Anteil von 5,4 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Besonders schlecht ist die Situation in Bayern (wo sich 43 der besagten Landkreise befinden), Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

Hinweise auf regionale Probleme in der Versorgung

Zudem ist die Versorgungsdichte – damit sind die Frauen im reproduktiven Alter pro Einrichtung gemeint – in den westlichen und südlichen Bundesländern niedriger als in den nördlichen und östlichen. „In einigen Bundesländern deutet sich eine Konzentration vieler Schwangerschaftsabbrüche auf wenige Meldestellen an bei gleichzeitig geringer Versorgungsdichte“, heißt es in der Studie. Das könne ein Hinweis auf regionale Problemlagen in der Versorgung sein. Ende Oktober wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dem Bundesgesundheitsministerium einen Forschungsbericht mit Handlungsempfehlungen zukommen lassen.