Die Architektenkammer rügt auch den neuen Weg beim Wettbewerb zur Überdachung des Zentralen Omnibusbahnhofs in Esslingen.  

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Der Streit über die rechtmäßige Abwicklung des Architektenwettbewerbs für das geplante Dach über dem neuen Zentralen Omnibusbahnhof in Esslingen eskaliert. Nachdem die Architektenkammer Baden-Württemberg bereits beim Wettbewerb selbst der Stadt erhebliche Verfahrensfehler attestiert hatte, stößt die nun von der Stadt gefundene Lösung des Dilemmas bei den Architekten auf "Unverständnis und Kopfschütteln". So steht es in einem Schreiben Alfred Morlocks, des Justiziars der Architektenkammer, an Oberbürgermeister Jürgen Zieger.

 

Die Stadt hatte beschlossen, das bisherige Wettbewerbsverfahren "Ideenwettbewerb für die Überdachung des neuen ZOB" aufzuheben. Gleichzeitig hatte der Technische Ausschuss dem Ankauf des in einem zweiten Suchlauf als optimale Lösung ausgewählten Entwurfs des Stuttgarter Büros von Werner Sobek zugestimmt. In einem weiteren Schritt sind alle noch erforderlichen Planungsleistungen für das neue ZOB-Dach nach der Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) europaweit ausgeschrieben worden. In der ersten Runde des Wettbewerbs vor einem Jahr waren hingegen die Büros Schulitz und RFR zusammen mit einem Schweizer Büro als gemeinsame Sieger ausgewählt worden. Sie fühlten sich aber im weiteren Verlauf des Verfahrens von der Verwaltung übergangen.

Vertrauen in öffentliche Vergabestellen könnte Schaden nehmen

"Ungeachtet der Tatsache, ob die von Ihnen gewählte Vorgehensweise rechtlich Bestand hat oder nicht - hierzu wollen wir keine Stellung nehmen - sehen wir darin eine klare Umgehung des ausgeschriebenen Architektenwettbewerbs und der damit verbundenen rechtlichen Zusagen", heißt es in Alfred Morlocks Stellungnahme. Es sei zwar "in jedem Fall trickreich", das neue Verfahren in der Hoffnung durch den Gemeinderat legitimieren zu lassen, dass die Einspruchsfrist verstreiche und kein Teilnehmer die Bekanntgabe der Aufhebung im Amtsblatt der Europäischen Union bemerke. "Ob dies legal ist, steht auf einem anderen Blatt", heißt es in Morlocks Schreiben weiter.

Die Architektenkammer Baden-Württemberg halte es aber insbesondere "aus moralischer Sicht für bedenklich, wenn sich gerade ein öffentlicher Auftraggeber nicht an seine eigenen Spielregeln" halte. Der von der Stadt eingeschlagene Weg füge dem Vertrauen in öffentliche Vergabestellen, in Wettbewerbe und damit auch in die Planungskultur Schaden zu. Dem hohen Einsatz, den Planer in Wettbewerben einbrächten, müsse eine Zuverlässigkeit auf Seiten der Vergabestelle gegenüberstehen.

Erfahrung im Wettbewerbswesen

Die Stadtverwaltung reagierte verärgert auf die Stellungnahme der Architektenkammer. Die Vorwürfe seien "unsachlich und im Ton unangebracht", heißt es in einem Antwortschreiben des Baubürgermeisters Wilfried Wallbrecht. "Ihre überraschende einseitige Positionierung zugunsten eines unterlegenen Bewerbers in einem laufenden Verfahren halten wir für zeitlich und inhaltlich unangebracht." Zudem erstaune es, dass die Architektenkammer "mit dem moralischen Zeigefinger auftreten" wolle. Esslingen habe eine lange und erfolgreiche Tradition und Erfahrung im Wettbewerbswesen. Den neuen Weg habe man eingeschlagen, weil das ursprüngliche, von der Architektenkammer vorgeschlagene Verfahren "unter keinen Umständen mehr rechtssicher zu Ende gebracht werden kann". Morlocks Stellungnahme sei der Architektenkammer Baden-Württemberg "nicht würdig".

Die Büros Schulitz und RFR überlegen nun, ob sie allein oder gemeinsam mit der Architektenkammer Baden-Württemberg die Vergabekammer in Karlsruhe einschalten. Diese prüft, ob planerische Wettbewerbe auf europäischer Ebene korrekt durchgeführt werden. Das könnte zur Verzögerung des ZOB-Projekts führen. Denn bis die Kammer entschieden hat, kann die Stadt keine Aufträge dafür vergeben.