Bis zu 1.500 Atomkraftgegner haben am Montag die Zufahrtsstraße für den Castor-Transport zum Zwischenlager Gorleben blockiert.

Gorleben - Der Castor-Transport wächst sich zur Nervenprobe aus. Der Atommüll aus der nordfranzösischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague traf am Montag erst nach stundenlangen Verzögerungen am Verladebahnhof im niedersächsischen Dannenberg ein. Während die Castor-Behälter dort vom Zug auf Tieflader gehievt wurden, rüsteten sich Atomkraftgegner für weitere Blockaden auf dem letzten Streckenabschnitt zum Zwischenlager Gorleben. Dort werden die Behälter nun für Dienstag erwartet.

Polizeigewerkschafter warnten, die Beamten seien am Ende ihrer Kräfte. Die elf Spezialbehälter mit 123 Tonnen Atommüll aus der Wiederaufarbeitung waren am Freitag in Nordfrankreich gestartet. Allein auf der Schiene war sie gut 67 Stunden unterwegs - deutlich länger als frühere Castor-Transporte. Die größte Verzögerung erreichten Atomkraftgegner mit einer Massen-Sitzblockade von zeitweise bis zu 5.000 Protestierenden auf dem letzten Schienenabschnitt vor Dannenberg. Die Polizei nahm bei der Räumaktion am frühen Montagmorgen etwa 1000 Menschen vorübergehend in Gewahrsam, bevor der Zug weiterrollen konnte.

Am Montag organisierten die Gegner dann die nächste Blockade auf der Straße direkt vor dem Zwischenlager Gorleben. Nach Angaben der Organisatoren saßen dort bereits tagsüber 2.000 Menschen auf der Straße, weitere wurden erwartet. Zudem blockierten Bauern mit Traktoren immer wieder Bundesstraßen rund um das Zwischenlager. Die Castoren sollten sich frühestens am Montagabend auf der Straße in Bewegung setzen.

Am Wochenende hatte es im Wendland Massendemonstrationen und teils auch gewalttätige Auseinandersetzungen gegeben. Demonstranten versuchten, die Gleise an der Transportstrecke zu unterhöhlen. Dagegen ging die Polizei vor. Dabei wurden nach Angaben der Aktion "Castor schottern" am Sonntag 950 Aktivisten durch Reizgas oder Pfeffersprays verletzt. Daneben berichteten die Aktivisten von 16 Brüchen, 29 Kopfplatzwunden und drei Gehirnerschütterungen. Die Polizei sprach ihrerseits von massiven Angriffen. "Aus den extrem aggressiven Personengruppen wurden Polizeibeamte unter anderem mit Reizstoffen besprüht, mit Steinen beworfen sowie mit Pyrotechnik und Signalmunition beschossen", teilte die Einsatzleitstelle mit. Insgesamt waren laut Polizei 7.000 Atomkraftgegner an Straßenblockaden und Gleisbesetzungen beteiligt.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) beklagte eine Überlastung vieler Beamter. Teilweise hätten Einsatzkräfte 24 Stunden oder noch länger Dienst am Stück schieben müssen, erklärte der Berliner Landesbezirksvorsitzende Michael Purper. Auch seien die Beamten schlecht versorgt worden.

Die Bundesregierung dankte den Einsatzkräften ausdrücklich. Aus der schwarz-gelben Koalition wurden zudem heftige Vorwürfe gegen die Demonstranten laut. Die parlamentarische Staatssekretärin im Umweltministerium, Katherina Reiche (CDU), beklagte die "größte Gewalteskalation seit vielen Jahren" und gab der Opposition aus SPD und Grünen eine Mitschuld. Grüne, SPD und Linke verteidigten dagegen die Proteste. Die Linken-Politikerin Ulla Jelpke sagte, sie habe mit eigenen Augen gesehen, wie "die Staatsgewalt rücksichtslos zugeschlagen hat". Linke und Grüne beantragten eine Aktuelle Stunde im Bundestag zu dem Einsatz.

Der Sprecher der Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg, Wolfgang Ehmke, zog eine positive Bilanz der Proteste, auch wenn er der Polizei zum Teil rechtswidriges Verhalten vorwarf. Ehmke sagte, es sei deutlich geworden, dass der Widerstand gegen Atomkraft und den Endlagerstandort Gorleben in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei. Die Aktionen der Castor-Gegner seien größtenteils friedlich gewesen. Der Sprecher der Initiative "ausgestrahlt", Jochen Stay, nannte die Sitzblockade auf den Schienen eine "Sternstunde des gewaltfreien Widerstandes".