Stop-And-Go-Verkehr: Der Castor-Zug kommt auf dem Weg nach Gorleben nur langsam voran. Die Polizei setzt Tränengas gegen Demonstranten ein.  

Gorleben - Begleitet von massiven Protesten und Blockadeaktionen hat sich der Castor-Transport mit Atommüll am Samstag seinen Weg durch Niedersachsen gebahnt. Auf der Strecke in Richtung Zwischenlager Gorleben kam der Zug mit den elf Atommüll-Behältern immer wieder ins Stocken, Demonstranten und Polizei lieferten sich gewaltsame Auseinandersetzungen.

 

Atomkraftgegner kritisierten die Einsatzstrategie der Polizei als zu hart. Die Sicherheitskräfte dagegen berichteten immer wieder von aggressiven Attacken gegen Beamte. Bei einer friedlichen Kundgebung am Samstag in Dannenberg forderten tausende Atomkraftgegner aus ganz Deutschland, dass der Salzstock Gorleben niemals ein Endlager für hoch radioaktiven Atommüll werden dürfe. Die Anti-Atom-Gruppen sprachen von etwa 23.000 Demonstranten.

Schlagstöcke und Pfefferspray

Andere Protestierer versuchten derweil mit Aktionen an den Gleisen der Castor-Strecke, den Atommüll-Zug aufzuhalten. Die Polizei setzte in einem Waldstück Schlagstöcke und Pfefferspray ein, wie mehrere Augenzeugen schilderten. Es gab Verletzte.

Wann der Castor-Zug, der am Mittwoch in Frankreich gestartet war, die wichtige Station am Verladebahnhof in Dannenberg erreicht, war noch unklar. Dort werden die elf Castor-Behälter für die Straßenetappe bis zum Zwischenlager Gorleben auf Lastwagen verladen. Atomkraftgegner haben weitere Blockaden angekündigt, die Polizei bereitet sich auf eine lange Nacht vor. Der Castor-Transport ist der letzte mit hoch radioaktivem Abfall aus Frankreich nach Gorleben.

Debatte über Strategie der Sicherheitsbehörden

Polizeieinsätze mit Wasserwerfern und Reizmitteln lösten eine Debatte über die Strategie der Sicherheitsbehörden aus. "Wir verurteilen das hohe Aggressionspotenzial der Polizei", sagte die Vorsitzende der Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg, Kerstin Rudek, am Samstag. Die Motivation der Demonstranten werde durch das "harte Vorgehen" nur noch weiter steigen.

Auch die Mitglieder der Bäuerlichen Notgemeinschaft, die stets mit Treckern Blockaden gegen den Castor errichten, verurteilten die Polizei-Linie. "Das ist ein übertriebenes Machtspiel der Polizei", sagte Hans-Werner Zachow. "Die Bauern sind daher entschlossen, gegen den Castor zu demonstrieren. Nicht mit Gewalt, aber mit einem gewaltigen Potenzial." Wie im November 2010 seien auch in diesem Jahr wieder rund 600 Traktoren auf den Straßen im Wendland unterwegs. Etwa 19 000 Polizisten müssen dafür sorgen, dass der Atommüll aus deutschen Kernkraftwerken sicher ins Zwischenlager rollen kann.

Mehr als 20 Polizisten verletzt

In der Nacht zum Samstag war es rund um ein Lager der Atomgegner im Örtchen Metzingen bei Dannenberg zu einem Polizeieinsatz gekommen. Einsatzkräfte seien angegriffen worden, teilte die Polizei in Lüneburg mit. Steine und Böller flogen, die Beamten setzten wie schon am Donnerstag einen Wasserwerfer ein. Mehr als 20 Polizisten wurden nach eigenen Angaben durch Steinwürfe verletzt. Die BI Lüchow-Dannenberg sprach von rund 20 verletzten Demonstranten.

Ob der Transport aus dem französischen La Hague bereits am Sonntag oder erst am Montag das Zwischenlager erreichen wird, war weiterhin ungewiss. Zudem könnte starker Wind das Umladen der Castor-Behälter von der Schiene auf Lastwagen in Dannenberg verzögern. Meteorologen sagten für das Wochenende heftige Windböen voraus.

Geologisch ungeeignet

Die Proteste der Atomkraftgegner richten sich vor allem auch gegen die Pläne der Bundesregierung, zwar nach alternativen Standorten für ein Atomendlager in Deutschland zu suchen, den Salzstock Gorleben parallel aber weiter auf seine Eignung zu erkunden. Anti-Atom-Initiativen halten den Standort Gorleben für geologisch ungeeignet und verlangen einen Stopp des Projekts im Wendland.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) forderte einen "nationalen Konsens" bei der Suche nach einem atomaren Endlager. Vor den Delegierten des Grünen-Parteitags in Kiel sagte er am Samstag: "Das einzige Kriterium kann sein: Was ist der sicherste Standort?" Der Bund und alle 16 Bundesländer hätten sich zu einer offenen Endlagersuche bekannt. "Es geht nicht um Geografie, sondern um Geologie", sagte Kretschmann weiter.