Gerade ein Jahr ist es her, dass ein Mittelständler-Verband den Ex-Minister Wolfgang Reinhart als Geschäftsführer präsentierte. Nun scheidet der CDU-Mann schon wieder aus.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart / Berlin - Es war ein Abgang ohne großes Aufheben. Eher beiläufig teilte der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (BVMW) mit, dass Wolfgang Reinhart (CDU) das Amt des Bundesgeschäftsführers Politik schon wieder abgegeben habe. „Nach Erfüllung seines Zeitvertrages“ werde der Ex-Minister und Abgeordnete des Main-Tauber-Kreises „wie abgesprochen“ in den Landtagswahlkampf starten. Dem Verband bleibe er als Berater freilich „eng verbunden“.

 

Wie abgesprochen? Zumindest öffentlich war davon keine Rede, als Reinhart nicht einmal ein Jahr zuvor als neuer Cheflobbyist präsentiert wurde. In ihm gewinne man „einen profilierten und erfolgreichen Kommunal-, Landes-, Bundes- und Europapolitiker“, jubilierte der Verbandspräsident Mario Ohoven im Februar 2015. Mit seiner „langjährigen Erfahrung auf allen politischen Ebenen“ werde er für den BVMW „in Berlin und Brüssel von großem Nutzen sein“. Das klang nach einer auf Dauer angelegten Zusammenarbeit.

Das Mandat hat Priorität

Heute beteuern Reinhart und der Verband unisono, die Tätigkeit sei „von Anfang an limitiert“ gewesen. Dies habe „einem persönlichen Wunsch“ des CDU-Mannes entsprochen, sagt der Verbandssprecher. „Er wollte von vornherein die Freiheit zur Teilnahme am Landtagswahlkampf . . . haben.“ So wichtig es Reinhart gewesen sei, den deutschen Mittelstand „noch besser kennenzulernen“ und mit seiner Expertise zu unterstützen, das Mandat als Abgeordneter habe für ihn Priorität.

Es „wurde und wird von mir stets vorrangig ausgeübt“, sekundiert der Kurzzeit-Geschäftsführer. Die Aufgabe habe ihm „sehr viel Freude bereitet“ und seine Ansicht bestätigt, dass Parlamentarier gut daran täten, „den Kontakt zum eigenen Beruf und zum Mittelstand nicht zu verlieren“. Zudem bot sie ihm Gelegenheit, der Enge der Landespolitik zu entfliehen – etwa bei der glanzvollen Ehrung von Ex-Kanzler Gerhard Schröder zum 40-Jahr-Jubiläum des Verbandes.

Von Beruf ist der Jurist mit Professor- und Doktortitel selbstständiger Rechtsanwalt und Senior-Gesellschafter der von ihm gegründeten Kanzlei mit 50 Mitarbeitern. Als Anwalt sei er auch für den Verband tätig geworden, sagt Reinhart, „mit üblicher Tagessatzvergütung gegen Tätigkeitsnachweis“, je nach Bedarf an einzelnen Tagen in der Woche, weisungsfrei und unabhängig. Da es sich um eine „geschäftsbesorgende Tätigkeit“ handele, habe er sie dem Landtag nicht anzeigen müssen, dies aber im März 2015 dennoch getan.

Kritik von Lobby Control und Transparency

Sein Rückzug, versichert Reinhart, erfolge nicht „aus Wahlkampftaktik“; er habe auch nichts mit „angeblicher“ Kritik an der Doppelfunktion zu tun, ergänzt der Verband. Tatsächlich hatte die Initiative Lobbycontrol moniert, der CDU-Mann könne schwerlich „Diener zweier Herren“ sein. Einerseits den Wählern verpflichtet zu sein, andererseits gegen Geld die Interessen eines Wirtschaftsverbandes zu vertreten – da sei ein Interessenkonflikt programmiert.

Fazit von Lobbycontrol: bezahlte Lobbyisten hätten in den Parlamenten, ob im Bund oder den Ländern, nichts verloren. Er habe schon immer „peinlich“ darauf geachtet, dass es zu Interessenkollisionen erst gar nicht komme, erwidert Reinhart. Im Übrigen vertrete er keine Einzelinteressen, sondern die der mittelständischen Wirtschaft insgesamt.

Kein Ärger wegen der Doppelrolle

Das war bei seinem Ex-Kabinettskollegen Willi Stächele (CDU) ein wenig anders. Ebenfalls als Anwalt war der Ortenau-Abgeordnete nach dem Regierungswechsel für den Edeka-Verbund tätig geworden. Als die Stuttgarter Zeitung dies öffentlich machte, hieß es, die Zusammenarbeit werde Ende 2015 beendet. Im Wahlkampf bekommt der wieder antretende Parlamentier so wohl keinen Ärger wegen der Doppelrolle.

Für die Organisation Transparency International zeigen die Fälle Stächele und Reinhart gleichermaßen, wie unzureichend im Südwesten die Offenlegungsregeln seien: Anders als im Bund und etlichen Ländern müssten beide nicht angeben, was sie neben dem Mandat – seit 2011 offiziell ein Vollzeitjob – verdienten, rügt der Leiter der Arbeitsgruppe Politik, Wolfgang Jäckle. Baden-Württemberg packe seine Abgeordneten da geradezu „in Watte“.

Zwischenlager für hoffende Politiker?

In der Berliner Verbandszentrale traf Reinhart übrigens auf einen weiteren Politiker aus dem Land: den Baden-Badener   Ex-Bundestagsabgeordneten Patrick Meinhardt. Nachdem seine FDP an der Fünfprozenthürde gescheitert war, heuerte er als Mitglied der BVMB-Bundesgeschäftsleitung an, zuständig für Politik und Öffentlichkeitsarbeit. Der Nachfolger Reinharts, von ihm selbst mit ausgesucht, ist ebenfalls ein CDU-Landtagsabgeordneter: Roland Wöller aus Sachsen, von 2008 bis 2012 Kultusminister, danach nur noch Ausschusschef. Spöttern gilt der Verband denn auch als eine Art „Zwischenlager“ für Politiker, die auf bessere Zeiten warten.

Bei Wolfgang Reinhart könnten sie, im Fall eines Wahlsieges, nach dem 13. März anbrechen. In der CDU wird er wieder als Aspirant für genau jenes Amt gehandelt, das er schon 2011 angepeilt haben soll: den Chefposten im Finanzministerium.