Sind die Vereinbarungen und die Bedingungen, die dafür in Griechenland geschaffen werden müssen, rasch umsetzbar?
Gefordert sind alle Akteure, die Türken genauso wie die Griechen, aber auch die EU-Kommission. Ich kann nur hoffen, dass Europa sehr schnell die griechischen Behörden logistisch, personell und finanziell unterstützt, damit sie das bewältigen können. Das ist eine gesamteuropäische Aufgabe, und die Umsetzung darf nicht mehr so lange dauern wie die Einrichtung von Hot Spots im vergangenen Jahr. Ich denke, wir können in zwei oder drei Monaten seriös beurteilen, ob das funktioniert. Im Lichte dieser Entwicklung sind dann übrigens auch mögliche Visaerleichterungen für die Türkei endgültig zu entscheiden.
Europa soll der Türkei Flüchtlinge abnehmen – auf freiwilliger Basis. Bisher scheint nur Deutschland dazu bereit. Viele Freunde hat Merkel in Europa nicht mehr.
Mit unserer Position sind wir in den vergangenen Monaten sicher nicht im Mehrheitslager der EU gewesen. Deshalb müssen wir auch über unseren Ansatz nachdenken. Es wird auf Dauer nicht erfolgversprechend sein, wenn das deutsche Vorgehen immer gleich auch die europäische Lösung sein soll. Wir müssen akzeptieren, wenn europäische Lösungen auch mal von anderen Partnern inhaltlich bestimmt werden. Ich setze darauf, dass alle Staaten erkannt haben, dass es so nicht weiter geht. Deshalb bin ich verhalten optimistisch, dass die Bereitschaft einiger unserer Partner zur freiwilligen Aufnahme von syrischen Flüchtlingen aus der Türkei wachsen wird.
Braucht es weitere nationale Maßnahmen?
Bei der Gesetzgebung haben wir nach der Verabschiedung der Asylpakete eins und zwei, mit Ausnahme der Einstufung weiterer sicherer Herkunftsstaaten, keinen großen Nachholbedarf mehr. Da kommt es jetzt darauf an, dass alles konsequent umgesetzt wird. Aber natürlich ist die Frage nicht vom Tisch, ob wir nicht irgendwann doch stärkere Grenzkontrollen mit Zurückweisungen brauchen. Diese Position vertrete ich schon lange, mache sie aber von den Fortschritten auf europäischer Ebene abhängig. Allerdings räume ich ein, dass dies wegen der Grenzschließungen auf der Balkanrolle derzeit nicht vorrangig ist.
Die Flüchtlingszahl ist deshalb drastisch gesunken. Hat die Kanzlerin andere die schmutzige Arbeit machen lassen?
Die Kanzlerin hatte von Anfang an einen anderen Ansatz. Aber dass wir von den Grenzschließungen entlang der Balkanroute profitieren, kann niemand bestreiten. Derzeit liegt die Zahl der täglich zu uns kommenden Flüchtlinge unter 100, wir hatten schon Zeiten, an denen wir 8000 Flüchtlinge am Tag aufgenommen haben. Ich werde jetzt jedoch nicht mit dem Finger Richtung Kanzleramt zeigen. Denn die Maßnahmen auf der Balkanroute waren, anders als von uns Innenpolitikern immer gefordert, unkoordiniert und nicht europäisch eingebunden. Dadurch sind einerseits die Zahlen zurückgegangen, andererseits sind aber auch die untragbaren Zustände im Flüchtlingslager Idomeni entstanden.
Helfen die ständigen Attacken der CSU auf die Kanzlerin weiter?
Die Lage hat sich geändert, das wird niemand bestreiten können. Wir haben eine Chance, die Herausforderung in den Griff zu bekommen. Ich teile viele Positionen der bayerischen Kollegen, aber die Frage ist doch, ob es sinnvoll ist, nur den Dissens zu betonen und ständig die Debatten des letzten Herbstes zu wiederholen oder ob es nicht klüger wäre, jetzt mit aller Kraft die Umsetzung der aktuellen Beschlüsse zu unterstützen. Ich rate zu letzterem.