Bisher dürfen Ermittler DNA-Spuren nur äußerst restriktiv auswerten. Nach dem Mord an einer Freiburger Studentin will Justizminister Wolf die Regeln ausweiten, per Vorstoß auf Bundesebene. Innenminister Strobl unterstützt ihn.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Bei der Aufklärung von Kapitalverbrechen soll das Erbgut von Verdächtigen künftig umfassender als bisher ausgewertet werden dürfen. Dies ist das Ziel einer Initiative, die der baden-württembergische Justizminister Guido Wolf (CDU) gegenüber unserer Zeitung angekündigt hat. Eine Gesetzesänderung auf Bundesebene soll es erlauben, aus DNA-Spuren nicht nur Identität und Geschlecht, sondern auch andere Merkmale herauszulesen – etwa die Farben von Haar, Augen oder Haut. Man werde das Thema für die nächste Justizministerkonferenz anmelden und auf eine „schnelle Prüfung“ dringen, sagte ein Ministeriumssprecher.

 

Damit reagiert Wolf auf den Fall der vergewaltigten und ermordeten Studentin in Freiburg. Von dem bisher unbekannten Täter gibt es DNA-Material, das wegen der geltenden Rechtslage aber nicht auf äußere Merkmale oder Herkunft untersucht werden darf. Wenn es technisch möglich sei, weitere Erkenntnisse für die Ermittlungen zu gewinnen, „dann sollten wir diese Möglichkeit auch nutzen“, sagte Wolf unserer Zeitung. Gerade bei „solch schrecklichen Vorfällen“ wie den aktuellen Frauenmorden in Freiburg sollten die Behörden in der Lage sein, „alle verfassungsrechtlich zulässigen Ermittlungsansätze auch auszunutzen“. Die DNA-Auswertung sei vergleichbar mit einem Fall, in dem ein Straftäter zufällig gefilmt oder fotografiert werde; auch dieses Bildmaterial werde genutzt.

Kriminalisten erhoffen neue Hinweise

Unterstützung bekommt Wolf vom Innenministerium seines Parteifreunds Thomas Strobl. Ein Sprecher des CDU-Ressorts sagte, es sei „aus kriminalistischer Sicht grundsätzlich zu begrüßen“, wenn sich über die DNA-Analyse neue Erkenntnisse zu Tätern gewinnen ließen. Die Polizei könne dadurch zielgerichteter ermitteln und falsche Ansätze schneller ausschließen; dies erhöhe die Chancen für einen Fahndungserfolg. In Einzelfällen könne mit einer erweiterten Erbgutanalyse auch einer Wiederholungsgefahr durch flüchtige Täter begegnet werden; insofern diene sie sogar „der wirksamen Abwehr dringender Gefahren für bedeutende Rechtsgüter wie Leib und Leben“.

Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter hatte zuletzt für eine Ausweitung der Möglichkeiten geworben. Gerade in Fällen wie in Freiburg sei es hilfreich, mehr Erkenntnisse aus dem Genmaterial zu erhalten. Wissenschaftler plädieren ebenfalls für eine großzügigere Regelung. Der aus dem Jahr 2004 geltende Passus der Strafprozessordnung sei nicht mehr zeitgemäß, die technischen Möglichkeiten hätten sich seither erheblich weiterentwickelt. Nach Angaben des Innenministeriums lassen sich äußere Merkmale bei der DNA-Analyse mit hoher Trefferquote ermitteln – so die Hautfarbe, hell oder dunkel, mit 98 Prozent oder die Augenfarbe mit 90 bis 95 Prozent.

Datenschützer: wohl noch zulässig

Die Behörde des Landesdatenschutzbeauftragten zeigte sich grundsätzlich offen für die angedachte Gesetzesänderung. Es spreche „manches dafür, dass sich eine solche Erweiterung noch im Rahmen des verfassungsmäßig Zulässigen halten dürfte“, sagte der amtierende Leiter Volker Broo. Entscheidend sei letztlich, wie neue Regeln in der Praxis angewendet würden. Grundsätzlich sei zu bedenken, dass Menschen mit jeder Lockerung „ein Stück weit gläserner“ würden.

Das Land kündigte derweil an, wegen der Serie schwerer Verbrechen 25 zusätzliche Polizeibeamte nach Freiburg zu schicken. Sie sollen schon an diesem Samstag die Präsenz verstärken.