Normalerweise freuen sich Nachrücker über ihren unerwarteterweise erworbenen Platz im Stuttgarter Gemeinderat. Für Iris Ripsam und Tatjana Strohmaier, beide CDU, ist die Neubesetzung nicht unproblematisch – aus unterschiedlichen Gründen.

Stuttgart - Mit dem Nachrücken ist das so eine Sache: Gewöhnlich freuen sich die Teilnehmer am politischen Stühlerücken, dem Wählerwillen zum Trotz doch noch das verpasste Mandat wahrnehmen zu dürfen. Andererseits kann die Neubesetzung auch zur Unzeit kommen. Bei der CDU sind derzeit gleich zwei Frauen betroffen. Sie müssen sich jetzt mit der Gemeindeordnung vertraut machen.

 

Stadträtin Iris Ripsam ist für Thomas Strobl, den Innenminister der grün-schwarzen Landesregierung, in den Bundestag nachgerückt und muss sich seitdem entscheiden, ob sie in Berlin Sitzungswochen verbringt oder in Stuttgart im Gemeinderat sitzt. Dass die Novizin in den wenigen Monaten bis zur Neuwahl 2017 Angela Merkel den Vorzug vor Fritz Kuhn gibt, erscheint zwar nachvollziehbar, wird aber im Rathaus und wohl auch in der Fraktion nicht gerne gesehen. Jedenfalls hat Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) die Auskunft erteilt, dass eine Sitzung des Bundestags nicht höherwertiger als eine Gemeinderatssitzung einzustufen sei. Wer zu ehrenamtlicher Tätigkeit bestellt werde, so heißt es in der Gemeindeordnung, müsse die ihm übertragenen Geschäfte uneigennützig und verantwortungsbewusst führen. Übe ein Mandatsträger diese Tätigkeit nicht aus, drohten ihm bis zu 1000 Euro Strafe. Iris Ripsam wird sich darüber ebenso ihre Gedanken machen müssen wie Tatjana Strohmaier, seit 2014 ehrenamtliche Bezirksvorsteherin im Stuttgarter Osten.

Auf Strohmaier würde Markus Bott folgen

In der ersten Gemeinderatssitzung nach der Sommerpause soll sie für Fabian Mayer ins Bürgergremium nachrücken. Der CDU-Stadtrat wird Bürgermeister für Verwaltung, Recht und Kultur. Allerdings hat Strohmaier vor, gegenüber dem Gemeinderat ihren Verzicht zu erklären – wegen der engen Bindung an Bezirk und Menschen, der Lust am Ehrenamt sowie den vielen anstehenden Aufgaben. Damit wäre es an dem dahinter platzierten Markus Bott, die Lücke in der Fraktion zu füllen. Der Feuerbacher wäre willig, auch wenn er den Arbeitsaufwand noch nicht einschätzen kann.

Nur wichtige Gründe zählen

Das Problem: die Gemeindeordnung erlaubt die „Ablehnung ehrenamtlicher Tätigkeit“ nur für den Fall, dass „wichtige Gründe“ vorliegen. Dazu zählen insbesondere Krankheit, Alter oder dass man „durch die Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeit in der Fürsorge für die Familie erheblich behindert“ werde. Gerade damit will die junge Mutter nicht argumentieren; weil sie sich keine Überforderung nachsagen lassen will, die es nicht gibt – und wohl auch, weil ihre Partei mit dieser Begründung künftige Bewerbungen für ein Stadtratsmandat abblocken könnte.

Es könne noch weitere Gründe als die in der Gemeindeordnung aufgeführten geben, beruhigt Städtetagssprecherin Christiane Conzen. Sie verweist darauf, dass „am Ende allein der Gemeinderat entscheidet, ob ein genannter Grund als Hinderungsgrund akzeptiert wird“. Diesem Beschluss müsste sich Strohmaier aber beugen. Falls nicht, droht auch ihr ein Zwangsgeld.