Chris Jagger, der kleine Bruder von Mick Jagger, hat mit seiner Band in Kernen gespielt. Der Blues-Musiker packte Gitarre und Mundharmonika im Stettener Sängerheim aus und lieferte ein beeindruckendes Konzert.

Kernen - Das Musizieren sei die reinste Freunde, sagt Chris Jagger. „Aber das ganze drumherum, vor allem die Anreisen sind purer Horror.“ Neun Stunden hatte der jüngere Bruder von Mick Jagger, dem Frontmann der legendären Rockband The Rolling Stones, auf der Autobahn verbracht. Statt wie geplant um vier Uhr am Nachmittag sind er und seine Musiker erst nach 20 Uhr abends im Remstal angekommen. Doch der 69-Jährige ist Profi. Der Blues-Musiker hat seine Gitarre und die Mundharmonika ausgepackt, und mit seiner Band vor 140 begeisterten Fans in der Laube des Stettener Sängerheims ein beeindruckendes Konzert abgeliefert.

 

Der Gig von Chris Jagger ist ein Geheimtipp

Der Gig von Chris Jagger auf Stettens Höhen war ein Geheimtipp. Norbert Sperl hatte das Konzert in familiärer Club-Atmosphäre organisiert. Der Weinstädter managt für die Blueslegende Ben Waters Termine im deutschsprachigen Raum Europas und bei einem Auftritt im Jahr 2014 in Winnenden war Chris Jagger dabei. „Ich habe ihn vom Hotel in Fellbach abgeholt, er saß im Auto, packte seine Gitarre aus und fing an, einen Blues zu spielen“, erzählt Norbert Sperl. Der Schwabe war begeistert und meinte, so was würde er gern mal länger hören. Vor zwei Monaten bekam Sperl dann eine Email von Chris Jagger. Er sei im April auf der Durchreise von Dijon in Frankreich auf die Schwäbische Alb und habe Zeit, schrieb der Engländer. „Wenn Du Lust hast, organisier was.“ Klar hatte Norbert Sperl Lust, und mit dem Sängerheim, dem „Weinbergtreff“, auch bald die passende Location gefunden, in der Chris Jagger am Freitag dann auch irgendwann mit seinen vier Musikern eintraf.

Bruder Mick wäre wohl mit dem Privatjet eingeflogen

Sein weltberühmter älterer Bruder hätte den Stress mit der Anreise sicher nicht gehabt. Mick Jagger wäre wohl mit dem Privatjet eingeflogen und mit der Limousine samt Chaffeur direkt hinter die Bühne gefahren worden. Doch Chris Jagger, der öfter mit seinem älteren Bruder Mick auf der Bühne steht – mag es bodenständig. In der Pause sitzt er mit der Band in der kleinen Gaststube neben der Laube. „Für einen Imbiss“, sagt er. Dass ihn die lokale Presse dabei stört: „Kein Problem, sit down.“ Ein bisschen Deutsch spricht er auch, weil er das in der Schule gelernt hat. Aber ihn beschäftigt noch die lange Reise von Frankreich hierher. „Warum sprechen Franzosen und Deutsche, wenn sie sich treffen, eigentlich Englisch“, fragt er und kennt die Antwort längst. „Die Franzosen sprechen niemals Deutsch“. Dann schimpft er über die französischen Autowerkstätten, die den „Voulkswaggon“ seines Sohnes nicht schnell genug hinbekamen. „Mein Mercedes hätte den Weg nach Stuttgart von alleine gefunden“, sagt er und grinst.

Gleich hat der 69-Jährige, der mit Worten genauso quirlig ist, wie mit den Fingern auf den Gitarrensaiten, ein neues Thema. „I’m pissed of with the Brexit“, sprudelt es aus ihm heraus. Dabei gehe es ihm nicht um die europäische Bürokratie, die er schrecklich findet, oder die Ausländersteuer, die er trotz der Wirtschaftseinheit, zu der Großbritannien noch immer gehört, in Deutschland zahlen muss. „Aber es geht hier nicht um Politik oder Wirtschaft, sondern um Kultur und um Freundschaft“, sagt er und erzählt, wie sie das erste Mal nach dem Fall der Berliner Mauer in Ostdeutschland und Polen waren.

Das Pausen-Essen kann Chris Jagger vergessen. „Mach es mir nachher in der Mikrowelle warm“, sagt er zu Wirt Markus Knauer und geht auf die Bühne. Chris Jagger stimmt einen Song mit dem Titel „On the Road“ an und denkt dabei sicherlich nicht an die Stunden auf der Autobahn