Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Insbesondere die DVD „Bull Fighting“ in der Santo-Spirito-Box, eine Musik-, Tanztheater- und Dokumentarfilmcollage über die archaischen Rituale des Stierkampfs, ist Ihnen zu einer fantastisch diabolischen Abrechnung geraten. Wie kam es dazu?
Die Thematik hat mich extrem interessiert. Ich las Bücher über den Stierkampf, sah Ausschnitte im Fernsehen, aber ich sah nie, was wirklich passierte. Und an meinem Geburtstag vor zwei Jahren nahm mich meine Tochter mit nach Sevilla. Wir besichtigten Kunsthandwerksbetriebe, das war wunderbar. Aber wir gingen auch zum Stierkampf. Und ich war entsetzt von dem, was ich gesehen habe. Ich hatte zuvor eine Menge Gipsy-Musik geschrieben und entschied mich, sie zu nutzen, um den Stierkampf zu zeigen, wie er wirklich ist. Die Schriftstellerin A.L. Kennedy hat ein brillantes Buch darüber geschrieben („Stierkampf“, auf deutsch erschienen im Wagenbach Verlag, Anm. d. Red.). Sie sagt dir nicht ihre Meinung, sie beschreibt nur, was passiert. So wollte ich es auch machen. Die Leute sollen sich ein eigenes Urteil bilden. Aber natürlich möchte ich die Stierkampfindustrie zum Umdenken bewegen. Weil niemand diese Art des Leidens braucht. Die Toreros sind tapfere Jungs, und sie sind sehr artistisch, aber das legitimiert nicht, was sie tun.

Verblüffend ist auch der Preis der Spirito-Santo-Box: drei CDs und zwei DVDs für weniger als zwanzig Euro. Ist es wichtig für Sie, dass der Preis Ihrer Veröffentlichungen moderat ausfällt?
Oh ja, das ist es. Ich möchte etwas investieren und zugleich etwas zurückgeben. Ich glaube, wie erwähnt, an die Idee des Hinsetzens und Musikhörens – statt immer nur noch mit iPods durch die Gegend zu laufen. Deshalb ist es mir wichtig, dass meine Veröffentlichungen keine großen und teuren Geschenkeditionen sind. Mich kostet es auch nicht mehr. Es kostet nur mehr Mühe. Selbstverständlich, wie bereits erwähnt, mögen die Plattenfirmen aus Kostengründen meine Vorstellungen des Musikvermittelns nicht. Aber ich bestehe darauf. Und ich wünschte mir, dass mehr Künstler so wie ich denken würden. Einfach aus Liebe zum Musikhören heraus.

Glauben Sie, dass die Menschen mehr Musiktonträger kaufen würden, wenn sie billiger als derzeit wären?
Ich glaube, das ganze Digitalzeug hat all das abgetötet, was die Musikindustrie einst erfolgreich gemacht hat. Ich bin kein Romantiker, der verklärt zurückblickt – aber ich glaube, dass man sehr erfolgreich sein kann, wenn man Menschen Musik anbietet, die sie sich mit Muße anhören können. Aber neuerdings spielen alle verrückt mit dem Geschäft rund um die Downloads. Diese Art des Musikvertriebs ist natürlich leichter für die Plattenlabel. Aber das hat die Kultur der Musik getötet.

Haben Sie Ideen, wie die Plattenindustrie in Zukunft überleben kann?
Ich werde weiter Sachen veröffentlichen, die du dir angucken kannst, während du Musik hörst. Ich weiß nicht, warum viele andere Musiker das nicht ebenfalls tun.