Besonders eindringlich brachte in der Sektion „Panorama“ Wolfgang Fischers „Styx“ die moralischen Konflikte in Zeiten der Flüchtlingskrise auf den Punkt. Eine fabelhafte Susanne Wolf spielt hier eine Ärztin, die sich als Alleinseglerin von Gibraltar zu den Darwin-Inseln aufmacht und nach einem Sturm in der Ferne ein seeuntüchtiges Flüchtlingsboot vor sich sieht. Die über Funk alarmierte Küstenwache warnt sie davor, sich dem Boot zu nähern. Das würde nur dazu führen, dass die in Seenot Geratenen von Bord sprängen; ihre Segeljacht sei aber für ein Rettungsmanöver zu klein. Hilfe wird angekündigt, bleibt aber aus. Mit einem klaren Erzählkonzept bricht Fischer das hochpolitische Thema auf einen ganz persönlichen Entscheidungsprozess herunter und verweigert sich mit erstaunlicher Konsequenz einfachen Lösungskonzepten.

 

Wolfgang Fischers „Styx“ ist von nachhaltiger Intensität

Dabei wird „Styx“ nie zum Thesenfilm, sondern macht in meditativer Ruhe zunächst mit Schönheit und Gefahr der Meereselemente vertraut und baut seine starke, weibliche Hauptfigur in ruhigen Beobachtungen auf, bevor deren moralische Integrität auf den Prüfstand gerät. Ein stiller, klug konstruierter Film von nachhaltiger dramatischer Intensität, den man sich auch gut im Wettbewerb hätte vorstellen können. Dort hat man allerdings mit vier deutschen Beiträgen die Heimspiel-Obergrenze bereits erreicht. Wirklich bärenverdächtige Ware war am Wochenende im Wettbewerb noch nicht in Sicht.

Benoît Jacquots behäbiger Erotik-Thriller „Eva“ mit Isabelle Huppert als Edel-Prostituierte enttäuschte ebensowie der schwedische Beitrag „Real Estate“ von Axel Petersén und Måns Månsson, der zwar über eine schrille, ältere Frauenfigur verfügte, sich aber allzu selbstgefällig in seinem zynischen Blick auf die habgierigen Zustand der Gesellschaft sonnte.

Deutlich überzeugender fiel da schon „Dovlatov“ des russischen Regisseurs Alexey Germans aus. Das Porträt des Schriftstellers Sergei Dovlatov wird zu einem atmosphärisch dichten Sittengemälde der Sowjetunion der siebziger Jahre ausgeweitet, wo die verbotenen Autoren der Breschnew-Ära in den Transit-Räumen der russischen Geschichte vergeblich auf Erlösung hoffen.