Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Der Richter erkundigt sich, ob Masri therapeutische Hilfe angeboten worden sei. Nein, sagt der Zeuge, der Häftling sei ja auch immer „völlig uneinsichtig“ gewesen und zeige „überhaupt kein Unrechtsbewusstsein“. Die Protokolle der ersten Polizeivernehmungen klingen deftig, sie wurden im Juli von einem Polizeibeamten in Neu-Ulm aufgenommen. Er ist, wird im Gerichtssaal bekannt, intern schon seit 2006 für Masri eingeteilt. Auf wessen Weisung er diesmal gearbeitet habe, fragt der Verteidiger. Der Oberstaatsanwalt interveniert lautstark, das sei Dienstgeheimnis, aber der Richter lässt antworten. Die Führung des Kemptener Polizeipräsidiums habe ihn beauftragt, sagt der Polizist. Der Kollege des angeblich geschlagenen Aufsehers sagt, er habe beim Durchlesen seine Protokolls mehrere „emotionale Begriffe“ wie „Angst oder Drohung streichen lassen“. Der Verteidiger fragt ungläubig: Waren die Protokolle etwa vorformuliert? Die Antwort bleibt aus.

 

Dann die Plädoyers: der Verteidiger beantragt erneut den Freispruch, der Oberstaatsanwalt verlangt ein Jahr und drei Monate Haft. Ein Freispruch, warnt er mit Verweis auf die Prominenz des Täters, führe dazu, „dass wir bald niemanden mehr haben, der in einer Justizvollzugsanstalt arbeiten will“. Zwanzig Minuten später kassiert der Richter den Freispruch des Amtsgerichts und spricht eine Haftstrafe von sieben Monaten aus. Die Schilderung des geschädigten Beamten sei völlig „nachvollziehbar“, Masris Vergangenheit „kein Rechtfertigungsgrund“, der Angeklagte überhaupt ein „Bewährungsversager“.

„Herr Masri, stehen Sie bitte auf“, sagt der Richter, bevor er sein Urteil verliest. Doch der bleibt einfach sitzen und schließt die Augen, als wäre er unendlich müde.