Kostenlose Zusatzangebote, feste Wechselkurse, Preisnachlässe: Die Schweizer Tourismusbetriebe versuchen den starken Preisanstieg durch die Währungsfreigabe abzufedern.

Der Schnee knirscht unter den Skiern, die Sonne strahlt vom fast wolkenfreien, blauen Himmel, die gesamte Bergwelt ist von einer dicken, glitzernden Schneeschicht überdeckt. Der Blick vom Aroser Weisshorn lässt derzeit bei Tourismusverantwortlichen keine Wünsche offen. Sollte man meinen. Doch seit Donnerstag vergangener Woche sind über sämtlichen Schweizer Urlaubsregionen dunkle Gewitterwolken aufgezogen, die sich auch nicht mehr so schnell verziehen werden. Seit der Schweizer Franken nicht mehr an den Euro gebunden ist, steigen die Preise in dem Alpenland kräftig an. Nachdem die Nationalbank den Mindestkurs von 120 Rappen zu einem Euro aufgehoben hat, ist eines der teuersten Länder der Welt innerhalb weniger Stunden 20 Prozent teurer geworden. Zumindest für die Nachbarländer. „Das trifft uns im Kern“, sagt Jörg Peter Krebs, Deutschland-Chef von Schweiz Tourismus.

 

„Wir sind die einzige Exportbranche, die nicht extern produzieren kann. Unsere Produktionskosten sind rund 30 Prozent höher als im Rest des Alpenraumes“, rechnet er vor. Wer in der Schweiz Urlaub macht, zahlt beim aktuellen Kurs knapp ein Fünftel mehr für Hotel, Restaurant und Liftpass als noch zu Jahresbeginn: Für einen Wochen-Skipass im neuen Großskigebiet Arosa-Lenzerheide müssen Urlauber nun 332 statt 280 Euro berappen. Die Schweizer Tourismusbranche fürchtet fatale Folgen und sucht fieberhaft nach Möglichkeiten, um gegenzusteuern. Wir-bieten-mehrwert.ch heißt die neue Internetseite, die die Urlaubsregion Arosa-Lenzerheide zusammen mit Saas-Fee im Wallis an diesem Samstag freigeschaltet hat.

Der Erfolg spricht für sich

„Wir haben sehr viele Zusatzangebote, die für den Gast nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Das wollen wir auf dieser Seite bündeln“, erklärt Pascal Jenny, der Kurdirektor von Arosa, der am Montag eine Krisensitzung für die Tourismusbetriebe des 1800 Meter hoch gelegenen, weltbekannten Kurortes einberufen hatte. Die Zusatzangebote reichen von einer kostenlosen heißen Schokolade bei der Gondelfahrt über verschiedene Veranstaltungen bis hin zur Skischule - dem Herzstück. Wer zwei oder mehr Nächte in den teilnehmenden Hotels oder Ferienwohnungen übernachtet, kann seine Kinder kostenlos in die Skischule schicken. Der Erfolg des vor drei Jahren eingeführten Angebots spricht für sich: Im Winter 2012/13 buchten 3100 neue Familien Urlaub in Arosa, im Jahr darauf waren es gar 4200. Und auch die beiden Skischulen am Ort verzeichneten ein zweistelliges Umsatzplus.

Auf diesen Anreiz setzen die Aroser auch in Zukunft. Eine Stornierungswelle muss André Salamin bisher nicht registrieren. „Wir hatten seit der Entscheidung der Nationalbank rund zwei Dutzend Gespräche mit Gästen, in denen es um die Franken-Aufwertung ging“, berichtet der Direktor des Arosa Kulm Hotels. Davon hätten lediglich drei ihren bereits gebuchten Urlaub storniert. Etwa 60 Prozent der Gäste in dem Fünf-Sterne-Hotel sind Schweizer, 25 Prozent Deutsche. Ein Familienvater mit drei Kindern habe ihm erklärt, dass es ihnen jetzt zu teuer sei in der Schweiz und dass sie stattdessen im österreichischen Lech am Arlberg Ski fahren gehen würden. Salamin machte seinem (Ex-)Gast daraufhin gleich die Rechnung auf: „Ich habe ihn gefragt, ob er dort auch die Skischule für seine drei Kinder inklusive bekommt.“ Dies musste der Kunde verneinen und habe eingeräumt, dass es vielleicht doch keine so gute Entscheidung gewesen sei.

„Die Ankündigung der Nationalbank hat uns kurz in einen Schockzustand versetzt“, gesteht Benno Meisser, Hotelier des gleichnamigen familiengeführten Drei-Sterne-Hotels in Guarda im Unterengadin. Drei Jahre lang hatten die eidgenössischen Finanzhüter mit einer garantierten Kurs-Untergrenze von 1,20 Franken für einen Euro die Hotelzimmer und Ferienwohnungen in der Schweiz für zahlreiche Gäste aus dem Euro-Raum wieder bezahlbar gemacht. Doch Schimpfen und Lamentieren bringe bei dieser Entscheidung nichts, meint der Hotelier aus dem Unterengadin. „Die äußeren Einflüsse kann man oft nicht ändern“, sagt Meisser. „Wir haben reagiert und unseren Stammkunden per E-Mail noch bis zum Ende der Wintersaison den alten Euro-Wechselkurs 1:1,20 angeboten.“ Markus Schmid, der Präsident des Hotelierverbands Wallis, ist skeptisch, ob dies die richtige Lösung ist.

„Wir haben die Marge gar nicht mehr“

„Das muss jeder Hotelier für sich entscheiden. Wenn man unsere Kostenstruktur anschaut, wird es aber sehr schwierig, langfristig mit so tiefen Preisen zu überleben“, sagt Schmid. Alles 20 Prozent günstiger zu machen, ist für André Salamin „keine Option“. „Im Gegensatz zu anderen Branchen können wir unsere Produktionskosten nicht ins Ausland verlagern. Wir dürfen und wollen keine billigen Lebensmittel für unsere Küchen importieren. Wir zahlen hohe Mindestlöhne, die auch richtig sind“, sagt der Direktor des Arosa Kulm Hotels und kommt zu dem Schluss: „Wir haben die Marge gar nicht mehr.“ Auch für Christian Meili, den Chef des Berghotels auf Muottas Muragl, sind kurzfristige Euro-Rabatte „nicht der richtige Weg“. Von dem 2456 Meter hoch gelegenen Hotel bietet sich ein traumhafter Blick über die Engadiner Seenplatte zwischen St. Moritz und Maloja.

Unterdessen wagt Meili bereits einen Blick in die Zukunft: „Die Aufwertung des Schweizer Franken wird gerade im Engadin den Strukturwandel in der Tourismusbranche beschleunigen. Mittelfristig wird es wohl noch schwieriger, unsere Produkte im Euro-Raum zu vermarkten“, sagt er. Der größte Schweizer Ferienwohnungsvermittler Interhome empfiehlt seinen Ferienwohnungsbesitzern, mindestens zehn bis 15 Prozent Preisnachlass zu gewähren, um so den Franken-Anstieg für ausländische Gäste etwas zu kompensieren. „Dann hat man am Jahresende vielleicht ein paar Hundert Franken weniger verdient“, sagt Roger Müller, Einkaufsleiter bei Interhome. „Aber keine Auslastung der Wohnung zu haben, bedeutet noch weniger Geld.“ Ganz auf Offensive setzt man schon seit Jahren in Grächen. In dem Dorf im Wallis bekommt man für einen Euro nach wie vor 1,35 Franken.

Die Aktion für Touristen gilt seit Herbst 2011, auch jetzt noch. Oder: „Jetzt erst recht“, wie es Berno Stoffel von Grächen Tourismus ausdrückt. „Für uns steht das Vertrauen im Vordergrund. Wir haben den Gästen Ferien zum Euro-Kurs von 1,35 Franken angeboten und lösen dieses Versprechen auch ein.“ Der feste Wechselkurs gilt in teilnehmenden Hotels und Ferienwohnungen für Skipässe, in Sportgeschäften und Souvenirshops. Offensiv agiert auch Schweiz Tourismus: Im kommenden Jahr wird die Schweiz Partnerland der CMT in Stuttgart. Neun Tage lang steht das Alpenland dann im Fokus von Europas größter Touristikmesse, die mehr als 220 000 Besucher anlockt. Diese Aktion wurde freilich nicht aus der Not geboren, sondern war von langer Hand geplant. „Die Verträge haben wir schon vor einem Jahr unterschrieben“, sagt Messesprecher Axel Recht. „Aber vielleicht passt es jetzt umso besser.“