Echte Ritter setzen keinen Staub an. Die Geschichte des Wirrkopfs Don Quixote ist als frühes Meisterstück des Romans zwar schon 1605 erschienen. Aber die neueste Comicadaption durch den Briten Rob Davis steckt voller Witz und Leben – nicht nur beim berühmten Kampf gegen die Windmühlen.

Stuttgart - Comics machen dumm, werfen einen zurück ins Analphabetentum, ruinieren Geschmack, Charakter und Zukunftsaussichten. So haben uns das unsere Lehrerinnen und Lehrer früher beigebracht. Nicht immer mit so vielen Worten: sie konfiszierten Hefte, auch wenn sie nur aus dem Schulranzen lugten, sie zerrissen Comics, sie hieben uns Micky-Maus- und Fix-und-Foxi-Hefte um die Ohren. Die übleren Typen unter ihnen rollten die Hefte vorher zusammen. Das waren andere Zeiten, aber gewisse kulturelle Ressentiments wurden offener und ehrlicher, wenn auch schmerzhafter, bekannt.

 

Was könnte also einen besseren Stoff für einen Comic abgeben als die Geschichte eines Mannes, dessen Verstand und Leben durch das Lesen ruiniert wurden? Und zwar nicht durch das Lesen von Prosa, von Literatur, die zu seiner Zeit vielen ebenfalls als desaströses Teufelszeug gilt. Die Rede ist natürlich von Don Quixote, dem Ritter von der traurigen Gestalt, einem schon älteren Spanier, der sich so viele Ritterromane zu Gemüte geführt hatte, dass er aus deren Fantasien nicht mehr herausfand.

Wahnwitz und Träumerei

Der Brite Rob Davis hat aus Miguel de Cervantes’ Roman einen der gewiss beglückendsten Comics des Jahres gemacht, einen formidablen Mix aus Melancholie, Wahnwitz, Spott und Träumerei. Dass er mit seltener Virtuosität ein riesiges Prosawerk auf knapp dreihundert Comicseiten eindampft und dabei doch die Erfahrung opulenter Fülle wahrt, sei nur nebenbei erwähnt. Ebenso, dass er umgekehrt viele, textreiche Sprechblasen unterbringt und trotzdem jeder Seite Frische, Dynamik, Unmittelbarkeit lässt.

Einst gehörte „Don Quixote“ zum Bildungskanon, einige seiner Motive waren so tief in Kultur und Sprache eingedrungen, Quixotes Kampf gegen Windmühlen etwa, wie sonst fast nur Elemente der Bibel. Heute muss man fürchten, diese ruhmreiche Vergangenheit schrecke neue Leser ab. Der Roman erschien immerhin bereits in zwei Teilen 1605 und 1615. Rob Davis’ „Don Quixote“ könnte nun der ganz große Angstnehmer sein.

Geeignet zur Bekehrung

Mit zugleich fiesem und liebevollen Strich schildert er, wie der verrückt gewordenen Leser loszieht, um selbst Ritterabenteuer zu erleben, wie er den naiven Sancho Pansa als Knappen einsammelt und sich eine Rasierschüssel als Helm aufsetzt. Davis, dessen Bilder mit ihrer Mischung aus greller Verfratzung und nachdenklicher Genauigkeit manchmal an die des Spaniers Miguelanxo Prado erinnern, schafft einen unglaublichen Ausdrucks- und Variantenreichtum der Standardsituationen: Quixotes klapprig anmaßende Haltung zu Pferde, Sanchos erstauntes Gesicht, die fliegenden Fäuste erboster Mitmenschen. Wenn man einen Comicverächter bekehren will, sollte man ihm diese und nur diese Graphic Novel schenken. Wenn er dann noch mosert, sollte man eben ihn verschenken.