Sven-Eric Bechtolf arrangiert in Salzburg seine „Così fan tutte“-Produktion neu, indem er sich mal kurz im Fundus umschaut. Weitere Einsichten gelingen ihm dann aber nicht.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Salzburg - Wer im Programmheft zur „Neueinstudierung“ von Mozarts „Così fan tutte“ nach dem Bühnenbildner sucht, findet den Namen Sven-Eric Bechtolf, der gleichzeitig als Regisseur firmiert. Dass er eher kein Regisseur ist, sondern allenfalls das, was die Altvorderen als Spielvogt bezeichneten, also einer, der den Dingen irgendwie seinen Lauf lässt, wusste man zur Genüge, seit Bechtolf 2011 hier die Sparte Schauspiel übernommen hatte und vor zwei Jahren als Interimsintendant seinen Vorgänger und Gönner Alexander Pereira ersetzte. Pereira, in Salzburg mal mit Mordstamtam als spiritueller Erneuerer angetreten, hat es nach Mailand an die Scala gezogen. Dass der Operninszenierer Bechtolf, selbst heuer noch als Schauspieler in Thomas Bernhards „Der Ignorant und der Wahnsinnige“ aktiv, jetzt aber auch Bühnenbildner baut, ist neu.

 

Zu bauen allerdings gibt es in der Felsenreitschule, wohin die renovierte „Così“ aus dem Haus für Mozart übergesiedelt ist, eigentlich nicht viel. Der Raum, immer wieder schön, wiewohl natürlich viel zu groß fürs Stück, ist die Dekoration. Um die Bühne nicht ganz leer zu lassen, ist Bechtolf ein bisschen in den Fundus gegangen und hat ein paar Sessel, Tische, Sitzkissen und viele Kerzen eingesammelt, plus einen dreiteiligen Lappen mit Landschaft drauf, der an ein paar Pfosten aufgehängt ist. Bei einem 60-Millionen-Etat findet man ja so manches. Trotzdem oder deshalb schaut das Ganze dekorativ aus wie Bauerntheater auf der Durchreise und bedient sich auf der spielerischen Ebene auch gerne bei, sagen wir, Ohnsorg-Effekten. Bechtolf ist in Hamburg aufgewachsen. Er weiß, dass man das Publikum, wenn gar nichts mehr geht, immer noch bekommt, wenn man mal jemanden wiederholt umfallen lässt (hier: Fiordiligi) wie einen Kartoffelsack. Und natürlich ist der Amüsierwillen bei Preisen bis zu 400 Euro für den Sitzplatz ein relativ ausgeprägter. Ein wenig will das Publikum dann schon haben fürs Geld. Selbst wenn‘s ein Lacher halb wider Willen ist.

In Salzburg feiern die Zuschauer das individuelle Dabeisein

An Regie ist hier also, pardon, nichts zu besprechen, denn eine Regie, außer weitgehend symmetrischer Führung der Figuren findet nicht statt. Man steht und singt, rollt die Augen und hantiert mit Stummfilmgestik. Dies alles wäre für ein städtisches Theater, das eine Zukunft haben will, eine schwere Hypothek, scheint aber in Salzburg, bis auf einzelne Buh-Rufer, keinen groß zu scheren. Man feiert weniger das Gebotene als vielmehr das individuelle Dabeisein, und der ausführliche Schlussapplaus nach vier mitunter doch sehr zähen Stunden ist jetzt auf circa 2000 Mobiltelefonen mehr dokumentiert. Markus Hinterhäuser, vom nächsten Jahr an künstlerischer Leiter, müsste bei den Festspielen eigentlich zunächst mit einem großen, eisernen Besen durchkehren, doch vermutlich wird selbst Hinterhäuser den ganzen Zirkus nicht komplett neu erfinden können. Und Helga Rabl-Stadler, die Präsidentin und Salzburgsiegelbewahrerin, regiert ja auch noch eine ganze Weile mit.

Sängerisch überragen in „Così“ die Frauen Julia Kleiter (Fiordiligi) und Angela Brower (Dorabella) die vergleichsweise fliegenwichtig besetzten Männer (Mauro Peter und Allesio Arduini), und auch das wunderbare Mozarteum-Orchester hatte schon mal eine entschiedenere Ausrichtung. Obwohl erwiesenermaßen in der Alten Musik und historischen Aufführungspraxis daheim, also Konsequenz gewohnt, hat Ottavio Dantone am Pult schwere Auf und Abs, sowohl in der uneinheitlichen Tempogestaltung, namentlich im zweiten Akt, als auch in der Phrasierung. Deswegen muss ein anderer entschieden die Dinge in die Hand nehmen, und das ist Michael Volle als Don Alfonso: mit riesiger Stimme und unverhohlenem Spaß am Zynismus dirigiert er seinen Versuchsablauf, der die unsicher Liebenden als sichtbar Verzweifelte zurücklässt, was nicht erspielt ist, sondern lediglich behauptet wird. Deshalb - und leider: Wer diese Inszenierung sieht, lernt Mozart kaum kennen, wie er (und Mozart) es hier in Salzburg verdienten.