Cristiano Ronaldo von Real Madrid wird von den Fans endlich geliebt. Im Halbfinale der Champions League gegen Bayern München soll er seinen Verein zum Sieg führen.

Madrid - In der regnerischen Samstagnacht, nach seinem 41. Tor im 33. Ligaspiel, hat Cristiano Ronaldo zum ersten Mal das Wappen mit der Krone auf seinem Trikot geküsst. Lang und laut, so andauernd und so euphorisch wie noch nie, haben die Menschen im riesigen Estadio Santiago Bernabéu seinen Namen skandiert. Es war ein Ritterschlag – und ein Friedenspakt zugleich.

 

Denn vor fünf Monaten pfiffen sie ihn bei Real Madrid noch aus. Cristiano Ronaldo dos Santos Aveiro hat also einen langen, steinigen Weg hinter sich. Er kommt 1985 auf der portugiesischen Atlantikinsel Madeira zur Welt. Seinen zweiten Vornamen verdankt er der Mutter, die den US-Präsidenten Ronald Reagan verehrt. Der Vater arbeitet als Gärtner für die Stadt Funchal sowie als Zeugwart für einen kleinen Verein. Und er trinkt zu viel. Mit elf zieht Cristiano nach Lissabon um, in das Internat des Clubs Sporting. Die anderen Talente äffen seinen Inselakzent nach, Cristiano weint viel, lernt zu kämpfen und beschließt, der beste Fußballer der Welt zu werden. Am 6. Juli 2009 landet der junge Mann von Manchester United kommend mit einem Privatjet auf dem Madrider Militärflughafen Torrejon, der sonst Staatschefs und Königen vorbehalten ist.

Neun Sicherheitsspezialisten von Real Madrid empfangen den 94 Millionen Euro teuren Angreifer. Im Stadion warten 80 000 Fans. Sein Gehalt seither: rund 13 Millionen Euro im Jahr, plus Werbegelder. Er lebt abgeschottet in einer Reichensiedlung am Stadtrand in einer Welt, in der nur der Fußball, die Freundin (das russische Topmodell Irina Shayk), die Familie und sein Hobby Shopping Platz haben. Die Luxusautos und die Designerkleidung werden geliefert, kaum einmal wagt er sich in ein Geschäft, zu groß ist der Aufruhr.

Eitel und verzogen, aber im Grund kein schlechter Junge

Die knurrigen Madrider Jahreskartenbesitzer haben ihn lange misstrauisch beäugt. Der Stürmer war für sie anfangs schwer zu ertragen, dieser Schönling mit den gegelten Haaren, der wie ein Pfau in orangefarbenen Schuhen über den Rasen stolziert; der die Freistöße beschlagnahmt und sich breitbeinig postiert wie ein Revolverheld – und die Kollegen auf dem Rasen gerne vergisst; der Tore muskelprotzend feiert, mit Blicken, die sagen: Ich bin der Größte! Der auch so daherredet: „Sie treten mich aus Neid, weil ich reich bin, gut aussehend und ein großer Spieler.“

Als sich im vergangenen November im Klassiker gegen Barcelona die nächste Niederlage zusammenbraut und auch er untergeht, pfeifen sie ihn im eigenen Stadion jedes Mal aus, wenn er den Ball berührt. Im Februar aber schlägt die Stimmung um: Es gibt erste „Ronaldo“-Gesänge. „Ich bin wirklich froh darüber“, sagt er, „das habe ich seit langer Zeit gesucht.“

Am vergangenen Samstag nun, vor den Reisen nach München und zum spanischen Clásico nach Barcelona, der in vier Tagen in der Primera División ansteht, haben ihm die Madridistas, wie die Real-Fans in Spanien genannt werden, feierlich die Verantwortung übertragen, ihre Mannschaft zu führen. Sie haben sich arrangiert mit seinem Gehabe und denken, dass der Modellathlet mit der Rückennummer sieben zwar eitel und verzogen ist, aber im Grunde kein schlechter Junge. Und vor allem: dass er Real in der Zukunft Titel bringen wird.

In der Form seines Lebens

Denn Ronaldo mag ein „poligonero“ sein, ein Prolet, wie spanische Intellektuelle einen wie ihn nennen. Auf dem Fußballplatz ist der Narziss aber ein Gigant geworden. Er trifft immer (41 Tore in der Liga, acht im Europapokal) und immer entscheidender. Er allein macht mehr Tore als die Hälfte der europäischen Erstligisten. Zwanzig in der Liga auswärts, auch das hat es noch nie gegeben.

In gegnerischen Arenen schwillt sein Brustkörper noch an. Wenn Real heute so selbstsicher gegen die Bayern in das Halbfinalhinspiel der Champions League geht, dann wegen seiner Energie. 21-mal in Folge hat die königliche Elf nicht verloren in fremden Stadien, wo die raketenartigen Konter besonders gut auszulösen sind, weil der Gegner sich in der Pflicht fühlt, nach vorne zu streben. Ronaldo braucht keine Pause, ist nie verletzt und „arbeitet wie ein Tier“ (Trainer José Mourinho).

Mit 27 hat er die Form seines Lebens erreicht, daraus und aus der neuen Zuneigung schöpft er Souveränität und Reife. Manchmal kommt jetzt der Pass zum besser stehenden Kollegen, elf Torvorlagen stehen allein in der Liga zu Buche.

Ronaldo will der beste Fußballer der Welt sein

Am vergangenen Samstag beim Sieg gegen Gijon ließ er dem Ex-Dortmunder Nuri Sahin den Vorzug bei einem Freistoß. Und zuweilen blickt er den Journalisten nun in die Augen, wenn es einen martialischen Spruch abzufeuern gilt: „Das Wort verlieren kommt in meinem Wortschatz nicht vor!“ Dass er abtauche in den wichtigen Partien, sagt keiner mehr.

„Ich bin gewachsen, seit ich hier angekommen bin“, sagt er, „ich bin dieselbe Person mit den gleichen Stärken und Schwächen, aber jedes Jahr versuche ich, etwas Neues zu lernen.“ Würde nur nicht immer dieser Lionel Messi dazwischenfunken. Der Name des Weltfußballers vom FC Barcelona bleibt ein rotes Tuch für den Ehrgeizling aus Portugal. Jede Woche treiben sich die beiden zu neuen Rekorden. „Wir können von Glück reden, zwei solche Fußballer genießen zu dürfen“, sagt Barcelonas Trainer Josep Guardiola.

Doch so diplomatisch reden wenige, Volkssport ist, beide gegeneinander aufzuhetzen. „Messi ist Talent, Ronaldo Kraftraum“, ätzt der schwedische Stürmer Zlatan Ibrahimovic. Der argentinische Fußballmanager Jorge Valdano sagt: „Hätte Ronaldo nicht ständig diesen Schatten über sich, würden wir von einem der zehn besten Spieler der Geschichte sprechen.“

Wenn Ronaldo mit Madrid triumphiert und anschließend bei der EM glänzt, an der Messi nicht teilnimmt, dann stehen die Chancen gut, sich vom Argentinier endlich den goldenen Ball zurückzuholen, den er 2008 schon mal gewann. Dann wäre Cristiano Ronaldo offiziell, was er immer sein wollte: der beste Fußballer der Welt.