Rund 4500 Schwule, Lesben und Transsexuelle gingen unter dem Motto „Akzeptanz! Was sonst?“ für eine vollständige rechtliche Gleichstellung mit Heterosexuellen auf die Straße.

Stuttgart - Farbenfroh und gutgelaunt haben am Samstag auf der Politparade des Christopher Street Days (CSD) in Stuttgart Tausende Schwule, Lesben und Transsexuelle für die Gleichberechtigung mit Heterosexuellen demonstriert. Unter dem Motto „Akzeptanz? Was sonst!“ forderten sie vor allem die Öffnung der Ehe und das volle Adoptionsrecht für Schwulen und Lesben. Rund 4500 Menschen zogen nach Angaben des Veranstalters und der Polizei durch die Innenstadt - deutlich mehr als erwartet.

 

Der Streit um den Bildungsplan und den Aktionsplan der grün-roten Landesregierung mobilisiere die Bewegung, sagte Christoph Michl vom Vorstand der Interessengemeinschaft CSD Stuttgart. Rund 200 000 Zuschauer kamen laut Polizei und Veranstalter zu der Parade. Vergangenes Jahr waren es rund 220 000 gewesen.
Mit Sprüchen, wie „Gleiche Pflichten, gleiche Rechte“ und „Homophobie ist voll schwul“, aber auch Kostümen mit Engelsflügeln und Lackstiefeln warben die Teilnehmer für ihre Forderungen. In einer Bimmelbahn fuhren erstmals Regenbogenfamilien mit - Schwule und Lesben mit ihren Kindern. Bisher können homosexuelle Paare nicht gemeinsam ein Kind adoptieren.

Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland geht davon aus, dass bis zu zehn Prozent der Bevölkerung schwul oder lesbisch sind. Das wären in Baden-Württemberg mehr als eine Million Menschen.

In der bundesweiten Debatte um die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften hatte der SPD-Landesvorsitzende Nils Schmid die Union vor der Veranstaltung erneut attackiert. „Es ist eine Schande, dass die CDU einer ganzen Bevölkerungsgruppe weiterhin ihre vollen bürgerlichen Rechte verweigert, nur weil sie sich weigert, im 21. Jahrhundert anzukommen“, sagte Schmid, der mit seiner Frau Tülay bei der Parade mitlief. Auch Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) war als Schirmherr der Veranstaltung mit seiner Frau Waltraud Ulshöfer mit dabei.

Nach dem deutlichen Votum der Iren für eine Öffnung der Ehe und der Entscheidung des Supreme Court in den USA für das Eherecht für Schwule und Lesben verspüren die Befürworter auch in Deutschland Rückenwind. Der Berliner Landesverband der CDU stimmte am Freitag allerdings mehrheitlich gegen eine Öffnung der Ehe für Homosexuelle und schloss sich damit der Haltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an. Mancher in der Szene nutzt die Regierungschefin trotzdem ironisch für seine Zwecke: Ein neues Lesben-Magazin aus Berlin wirbt in einem Video-Clip derzeit mit einem Merkel-Double für sich.

Die Debatte um den Bildungsplan von Grün-Rot treibt nicht nur die Gegner nach wie vor um, wie beispielsweise das Schild „Demo für alle? Ehe für alle!“ der Grünen Jugend zeigte. Im kommenden Jahr soll der neue Bildungsplan in Kraft treten und an den Schulen auch für mehr Akzeptanz von sexueller Vielfalt sorgen. Im Juni hatte das Kabinett einen Aktionsplan gegen die Diskriminierung von sexuellen Minderheiten, etwa in der Arbeitswelt, verabschiedet.

Bereits sechsmal sind die Gegner der Projekte unter dem Motto „Demo für alle“ in Stuttgart auf die Straße gegangen. Sie sehen eine Überbetonung von Interessen einzelner Gruppen.

Der CSD erinnert an die Vorfälle am 28. Juni 1969 in der New Yorker Christopher Street: Nach einer Polizeirazzia in einer Bar kam es damals zum Aufstand von Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten gegen Polizeiwillkür mit Straßenschlachten.