Der Stuttgarter Automobilkonzern verzichtet auf einen neuen Sparplan, der womöglich die Börse beeindrucken würde. Aber der Vorstand bemüht sich um weitere Einsparungen.

Stuttgart - Daimler-Chef Dieter Zetsche hat mit seiner Ankündigung weiterer Kostensenkungen bei der Erläuterung der Quartalszahlen in der Finanzwelt offenbar für Verwirrung gesorgt. Einerseits ist er so verstanden worden, dass es eine Neuauflage des Mercedes-Sparprogramms Fit for Leadership geben soll, das bis Jahresende das angestrebte Volumen von zwei Milliarden Euro pro Jahr erreicht haben soll. Andererseits wurde Zetsches Hinweis zur Kenntnis genommen, dass es künftig vor allem um strukturelle Themen wie die Neuordnung des Vertriebs gehe. Eindruck an der Börse hat Daimler mit seinen Rekordzahlen am Mittwoch jedenfalls nicht gemacht. Die Aktie war mit einem Minus von 0,77 Prozent auf 65,58 Euro zusammen mit der Telekom Schlusslicht im Dax. Am Donnerstag konnte die Aktie aber zulegen.

 

Der neue Gesamtbetriebsratsvorsitzende Michael Brecht, der seit April im Amt ist, reagiert gelassen auf Meldungen über neue Sparpläne: „Es gibt weder Gespräche noch Verhandlungen über ein neues Sparprogramm, ob es nun angeblich Fit for Leadership II oder anders heißen soll.“ Über ein solches Programm mit einem Volumen von 3,5 Milliarden Euro für die Jahre bis 2020 hatte das „Manager-Magazin“ berichtet. Für völlig aus der Luft gegriffen hält Brecht Gerüchte, wonach es Überlegungen gibt, die Arbeitszeiten zu verlängern: „Das steht überhaupt nicht zur Diskussion, das verlangt auch niemand von uns.“ Vorsorglich sagt Brecht, der auch Betriebsratschef im Werk Gaggenau ist, jedoch: „Wer uns in den Geldbeutel langt, der hat ein Problem.

Es geht um Investitionen in Milliardenhöhe

Er hält ohnehin die Bedeutung der Lohnkosten für die Gesamtkosten des Unternehmens für überbewertet. Brecht: „Die größte Ersparnis holt man, wenn die Komplexität reduziert wird“. Die Kostennachteile einer immer größeren Modellvielfalt müssen seiner Ansicht nach eingedämmt werden, vor allem durch die Verwendung von möglichst vielen gleichen Teilen in möglichst vielen Fahrzeugen.

Daimler knüpft mittlerweile regelmäßig Investitionszusagen für Standorte an die Bedingung, dass es Entlastungen auf der Kostenseite gibt. So stehen im Montagewerk Sindelfingen Investitionen in Milliardenhöhe zur Diskussion. Wie berichtet, verlangt die Unternehmensseite im Gegenzug eine stärkere Flexibilisierung der Arbeitszeit, Fremdvergaben und Änderungen bei der Arbeitsorganisation. Darüber wird jetzt mit dem Betriebsrat verhandelt.

2000 Beschäftigte bekommen einen anderen Arbeitsplatz

Eine Regelung gibt es seit einigen Tagen für das Werk Gaggenau, in dem Getriebe und Achsen hergestellt werden. Daimler investiert in den nächsten sieben Jahren 800 Millionen Euro und verzichtet auf einen Stellenabbau. Ursprünglich war von 700 bedrohten Jobs die Rede. In Gaggenau sind derzeit ungefähr 6900 Mitarbeiter beschäftigt. Nunmehr werden von 2017 an die Getriebe für die A-Klasse-Nachfolgegeneration und den Sprinter aus Gaggenau kommen. Außerdem werden dort zusätzliche Doppelkupplungsgetriebe gefertigt. Im Gegenzug akzeptiert die Belegschaft, dass die Fertigungstiefe reduziert wird und mehr Arbeiten fremdvergeben werden. Für Brecht ist dies ein Beispiel für einen Wandel, den der Betriebsrat begleiten kann. 2000 Beschäftigte in Gaggenau werden nach seinen Angaben in den nächsten sieben Jahren einen anderen Job im Werk übernehmen. Ähnlich gelagerte Verhandlungen in den beiden Komponentenwerken Mannheim und Kassel laufen noch.

Auch im Lastwagenmontagewerk Wörth wird eine Verringerung der Fertigungstiefe geprüft. Die Arbeitnehmervertreter vor Ort kritisieren, dass Daimler Verwaltungsfunktionen in sogenannte Shared Service Center außerhalb der Fabriken verlagert. Diesen Trend der Konzentration und Auslagerung von Verwaltungsarbeiten im Konzern beobachtet Brecht mit Sorge. Grundsätzlich spricht er sich nicht gegen eine Konzentration aus, verlangt aber, dass es an allen Standorten zumindest ein Center gibt, so dass kaufmännische Kompetenzen erhalten bleiben.