Daniel Schwaab hat sich mit dem VfB Stuttgart viel vorgenommen. Heute erwartet der Fußballprofi mit Bayer Leverkusen gleich seinen Ex-Club und spricht zuvor über seine neue Rolle und die alten Kollegen.

Sport: Carlos Ubina (cu)
Stuttgart – - Vier Jahre lang stand Daniel Schwaab bei Bayer Leverkusen unter Vertrag. Am Samstag trifft der 24-jährige Abwehrspieler im ersten Saisonheimspiel des VfB Stuttgart gleich auf seinen ehemaligen Arbeitgeber – und steckt voller Elan: „Ich habe beim VfB sehr rasch eine Begeisterung gespürt – und die hat mich gepackt.“
Herr Schwaab, es ist über Sie zu lesen, dass Sie sehr gerne lesen. Welches Buch nehmen Sie gerade in die Hand?
Das ist richtig. Im Moment lese ich von Jussi Adler-Olsen „Das Washington-Dekret“. Davor hatte ich seine Trilogie „Erbarmen“, „Schändung“, „Erlösung“ gelesen.
Sie haben ein Faible für skandinavische Krimiautoren?
Ja. In den Büchern davor ging es um die Fälle der Hauptfigur Carl Mørck in Dänemark. Jetzt spielt die Handlung aber in den USA und ist völlig losgelöst von den anderen Geschichten – aber richtig gut. Ansonsten lese ich auch noch gerne Dan Brown. Ich mag es schön spannend, da kann man richtig abtauchen.
Sind die Handlungen so spannend wie die Situation aktuell beim VfB?
Auch das. Denn es hat ja einige Neuerungen hier im Verein gegeben, und ich glaube, wenn wir unser Potenzial auf den Platz bringen, dann kann die Saison richtig erfolgreich werden.
Auch für Sie, da Ihre sportliche Situation zuletzt bei Bayer Leverkusen sicher nicht zufriedenstellend war?
Auch für mich persönlich ist es eine spannende Situation, weil ich unter anderen Voraussetzungen nach Stuttgart gewechselt bin als zuvor vom SC Freiburg nach Leverkusen. Damals hatte ich zwar drei Jahre Zweitliga-Erfahrung, aber jetzt komme ich mit vier Jahren Bundesliga-Erfahrung, habe in der Champions und der Europa League gespielt. Da genießt man eine andere Wertschätzung, hat aber auch eine andere Verantwortung. Dem will ich versuchen, gerecht zu werden.
Sehen Sie sich also schon in der Rolle eines Führungsspielers?
Es ist mein Anspruch, dass ich in eine solche Rolle hineinwachse. Das war in den Gesprächen vor der Saison ein wichtiger Punkt, den ich von meiner Seite aus der sportlichen Leitung vermittelt habe. Ich glaube, dass ich in einer Mannschaft gut kommunizieren und andere mitziehen kann. Daran arbeite ich jedenfalls.
Sie haben sich schon relativ früh für den VfB entschieden. Wie konnten Sie der Manager Fredi Bobic und der Trainer Bruno Labbadia so schnell davon überzeugen, dass der VfB der richtige Schritt ist?
Ich bin offen in die Gespräche mit Fredi Bobic und Bruno Labbadia hinein gegangen, und ich habe sehr rasch eine Begeisterung gespürt – und die hat mich gepackt. Im Grunde ist es die Herausforderung, mit dem VfB etwas zu erreichen. Da will ich ein Teil davon sein.
Und wie sind nun Ihre Erwartungen?
Ich freue mich sehr auf die Saison. Vor ein paar Tagen war ich zu einem Fototermin auf dem Rotenberg – und von dort oben hatte ich einen tollen Blick in das Stadion. Seither kann ich mir bestens vorstellen, dass es super wird, wenn die Arena voll ist.
Dazu braucht es aber ebenso den passenden Fußball. Was haben die Mannschaft und Sie sich konkret vorgenommen?
Wenn man einmal Champions League gespielt hat, dann muss man natürlich klar bekennen, dass diese über der Europa League steht. Es wäre jedoch vermessen zu sagen, das ist unser Ziel. Es ist vielmehr ein Wunsch da wieder hinzukommen.
Wie schätzen Sie die Bundesliga ein?
Ich sehe die Bayern und Dortmund vorne, danach Schalke und Leverkusen und da dahinter fünf, sechs Vereine, die um den Anschluss kämpfen. Da zähle ich uns dazu.
Umso wichtiger wäre ein guter Saisonstart, um nicht gleich ins Hintertreffen zu geraten.
Das ist richtig. Wir haben in Mainz nach einer kurzen Vorbereitung auch schon spielerisch einen Schritt nach vorne gemacht. Nur hat das Ergebnis beim 2:3 nicht gepasst. Wir müssen jetzt die Abläufe in der Mannschaft festigen, und es muss auch in alle Köpfe rein, dass wir auf dem richtigen Weg sind und Erfolg haben können.
Müsste es nicht schon in allen Köpfen drin sein, dass der VfB gehobene Ansprüche hat?
Schon, aber die Umsetzung der gehobenen Ansprüche muss sich auch entwickeln. Man kann nicht sagen: So ist das Muster, so wollen wir spielen, und so schießen wir jetzt drei Tore. Das muss erst einmal ins Rollen kommen. Und es gibt ja immer noch einen Gegner, der etwas dagegen hat, dass wir gute Ergebnisse erzielen.
Nun erwarten Sie gleich Leverkusen. Angenommen Sie wären Trainer und nicht Spieler des VfB: Wie würden Sie ihr neues Team gegen ihren alten Club einstellen?
Ich denke, dass unser Trainer seine Informationen und Vorstellungen hat und auch die Scoutingabteilung über genügend Material verfügt. Für Insidertipps stand ich aber gerne zur Verfügung.
Wo würden Sie den Hebel ansetzen – in der Offensive?
Die ist natürlich sehr stark. Über Stefan Kießling brauchen wir dabei nicht zu reden. Er hat zuletzt eine Supersaison hingelegt und knüpft jetzt nahtlos daran an. Er steckt voller Selbstvertrauen und ist unangenehm zu spielen. Groß, kantig und wirft sich überall rein. Dann gibt es ganz starke Außenangreifer. Sidney Sam kenne ich noch sehr gut. Ein überragender Fußballer, der mit viel Tempo immer auf die Viererkette zustürmt und ähnlich wie Arjen Robben von den Bayern nach innen zieht, um mit seinem starken linken Fuß abzuschließen. Heung-Min Son, der aus Hamburg geholt wurde, kenne ich nicht so gut, aber der ist auch kein Schlechter.
Das Duo Sam-Son ist ja nach dem ersten Bundesliga-Spieltag schon eine Attraktion. Ein wenig klingt die neue Bayer-Kombination aber auch nach Samson, der Fernsehfigur aus der Sesamstraße.
Die Sesamstraße kenne ich aus meiner Kinderzeit zwar nicht so genau, weiß aber, dass dieses Zotteltier das krasse Gegenteil zu dem ist, was auf uns im Spiel zukommt. Samson ist ja etwas schwerfällig. Sam und Son sind dagegen leichtfüßig und zischen durch die Abwehrreihen.
Das heißt: egal, ob Sie außen oder innen spielen, es gibt kein Entkommen.
Auf welcher Position ich spiele, ist mir ohnehin gleich. Es kommt aber auf jeden Fall Arbeit auf uns zu.
Gibt es noch Kontakte nach Leverkusen.
Sicher. Da fliegen gerade einige SMS hin und her.
Zwischen wem?
Ich verstehe mich sehr gut mit Simon Rolfes, Stefan Reinartz, Jens Hegeler und auch Ömer Toprak. Da kommt der ein oder andere Spruch, aber ich habe mich natürlich darauf vorbereitet.
Leverkusen gilt ja als sehr spielstark. Empfinden Sie den Wechsel nach Stuttgart diesbezüglich als fußballerischen Kulturschock?
Auf gar keinen Fall. Wir haben hier sehr, sehr gute Fußballer. Wir spielen aktuell nur noch nicht wie aus einem Guss, aber das kommt mit der Zeit. Und man darf auch nicht meinen, dass wir in meiner Zeit bei Bayer die vergangenen vier Jahre stets überragenden Hurrafußball gespielt haben. Ich kann mich an Spiele erinnern, da haben die Zuschauer schon nach 20 Minuten gepfiffen.
Das kann Ihnen beim VfB auch passieren.
Ich habe schon nach den ersten Spielen in der Europa-League-Qualifikation und dem DFB-Pokal gemerkt, dass uns die Fans hier klasse unterstützen, aber auch fordernd sein können. Aber auch sie sollten ein wenig Geduld haben.