Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)
Trifft das nun nicht mehr zu?
Heute ist Darts klassenlos geworden. Neben den normalen Leuten habe ich Investmentbanker im Publikum, der Bürgermeister von London will jetzt zur WM kommen, mich rufen Nationalspieler im Cricket, Rugby und Fußball an und fragen nach Karten. Die Darts-WM gehört in Großbritannien zu Weihnachten wie der Tannenbaum. Ich glaube, so eine Entwicklung hat es in der Welt des Sports noch nicht gegeben.
Selbst Royals besuchen die WM im Alexandra Palace, wie etwa Prinz Harry 2011, was gewaltigen medialen Wirbel auslöste.
Prinz Harry hat die Atmosphäre geliebt. Er sagte mir, es sei die beste Nacht des Jahres gewesen.
Welche Bedeutung hat der 16-fache Weltmeister Phil Taylor?
Er ist die Ikone dieses Sports. Phil ist vergleichbar mit Tiger Woods im Golf. Beide haben ihren Sport auf ein neues Level gehoben. Früher konnte man im Darts ein Turnier mit einem Schnitt von 85 Punkten mit drei Pfeilen gewinnen, heute muss man 105 Punkte erzielen. Das ist etwa so, als müsste man im Golf statt 67er-Runden nun 60er-Runden spielen. Phil hat mit seinem Können, mit seiner Disziplin und seiner Professionalität den Sport und die Wahrnehmung verändert. Er ist damit 2010 Zweiter bei der BBC-Wahl zum Sportler des Jahres geworden – vor Fußballern oder dem Kapitän des Cricketteams.
Das fand nicht jeder Athlet gut.
Snobismus ist im Sport weit verbreitet, besonders bei uns im Königreich. Manche rümpfen die Nase über einen Menschen, der die 100 Meter nicht unter zehn Sekunden laufen kann oder nicht aussieht wie ein Modellathlet. Phil Taylor, das garantiere ich, wird die 100 Meter nie unter 10 Sekunden rennen, aber die Welt verändert sich. Es gibt Internet, Facebook, Twitter. Und auch der Sport verändert sich. Sport ist mehr als Rennen. Wir müssen unterhalten. Phil ist der Fahnenträger dieser Bewegung.
Haben Sie Angst vor seinem Rücktritt?
Vor einigen Jahren hätte ich gesagt: Ja. Heute bin ich mir nicht mehr so sicher. In jeder Sportart gibt es Ären. Phil Taylor war lange ein Synonym für Darts, er gewann jedes Turnier. Lange war es so wie jetzt bei den Klitschkos. Die Leute gehen zu den Klitschkos, aber sie wissen, was passieren wird. Auf Dauer langweilt das. Phil ist heute noch immer die Figur schlechthin, der Mann, der zu schlagen ist. Aber er ist einer unter mehreren, die gewinnen können.