Reportage: Frank Buchmeier (buc)

Das MAN-Stahlhaus ist nicht nur viel jünger, sondern auch völlig anders konstruiert. Zimmermänner, Maurer und Stuckateure können bei der Restaurierung nur bedingt auf ihre Erfahrungen zurückgreifen, eigentlich wäre ein Karosseriebauer gefragt. „Die größte Herausforderung ist, den Rost abzuwaschen, ohne dass dabei der historische Lack angegriffen wird“, sagt Maucher.

 

Von der Korrosion am stärksten betroffen ist naturgemäß die Wetterseite des Hauses, wo jahrzehntelang der Regen durch die Fugen zwischen den Stahlblechen rann. An dieser Front wurden auch irgendwann die hölzernen Fensterläden durch witterungsbeständigere Kunststoffläden ersetzt. So können nun zumindest die Schreiner bei Jako ihrem gelernten Handwerk frönen und Replikate der Originale herstellen. Anderes, etwa eine Strukturtapete aus den 50er Jahren, muss hinzugekauft werden. Die Arbeiten, sagt Maucher, kämen gut voran: „Wir liegen voll im Zeitplan.“

Diese Botschaft freut vor allem Michael Happe. Der Leiter des Freilandmuseums Wackershofen fährt regelmäßig mit seinem Passat ins 200 Kilometer entfernte Illerbachen, um sich selbst ein Bild von seinem künftigen Großexponat zu machen. Der Mittfünfziger würde mit seinem Wollmantel und seiner Hornbrille eher in ein Opernhaus als in eine Industriehalle passen. Er beschäftigt sich normalerweise auch nicht mit Rostschutz, sondern mit Kulturgeschichte. Das MAN-Stahlhaus, sagt er, „soll eine Keimzelle für einen Bereich der Nachkriegsarchitektur werden“. Eine Tankstelle, eine italienische Eisdiele und eine Bushaltestelle aus den 1950ern könnten demnächst hinzukommen.

Bisher bringen die 70 Gebäude, die in Wackershofen besichtigt werden können, den Besuchern den Alltag ihrer Vorfahren nahe. Bauernhöfe, Handwerkerhäuser oder Mühlen zeigen, wie die Menschen lebten, als es noch keine Autofabriken, Fernseher oder Tiefkühlpizzen gab. Noch wird ausgeblendet, wie sich Land und Leute während der Wirtschaftswunderjahre veränderten. Das MAN-Stahlhaus ist ein ebenso außergewöhnliches wie stilprägendes Beispiel für die Architektur und das Lebensgefühl dieser Zeit. Es war das Vorbild für Fertighäuser, die in den 1960er Jahren von Konzernen wie Streif, Kaufhof und Quelle massenweise produziert und verkauft wurden.

Bis August soll das Stahlhaus restauriert sein. Dann wird es zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres demontiert, auf Lastwagen verladen und quer durchs Land gekarrt. Bis Ende Oktober dürfte es dauern, bis das Gebäude in dem Freilandmuseum bei Schwäbisch Hall komplett aufgebaut ist.

Acht Monate später. In dem Dorf Illerbachen, fünf Kilometer von der Firmenzentrale in Rot an der Rot entfernt, hat Jako eine Halle gemietet, in die problemlos ein Airbus passen würde. Unter der Decke hängen riesige Kräne, wie man sie von Containerhäfen und Güterbahnhöfen kennt. In den vergangenen Wochen wurde das Sillenbucher MAN-Stahlhaus wieder aufgebaut. Nur das Dach ließen die Jako-Leute weg, hineinregnen kann es ja nicht, weil das Gebäude in einem Gebäude steht. Wofür der Aufwand? „Es wäre viel schwieriger, wenn wir Teil für Teil bearbeiten würden anstatt das ganze Objekt“, antwortet Hubert Maucher.

Maucher ist der Projektleiter. Sein halbes Leben arbeitet der 40-Jährige bereits für das Familienunternehmen Jako, das 1890 als Ein-Mann-Zimmereibetrieb begann und heute mehr als 60 Leute beschäftigt. In seinem Metier, sagt Maucher, sei nichts unmöglich: „Technisch finden wir immer eine Lösung, es ist alles nur eine Geldfrage.“ Bei dem aktuellen Projekt „Translozierung MAN-Stahlhaus“ beträgt sein Budget 600 000 Euro. Das Geld kommt größtenteils vom Land.

In der Regel haben es Maucher und seine Kollegen mit Gebäuden aus Holz und Stein zu tun. Wenn ein Balken vom Hausbock zerfressen ist oder eine feuchte Mauer bröselt, wissen sie genau, was zu tun ist, um möglichst viel von dem Originalmaterial zu erhalten. Wenn die Substanz nicht mehr für eine Restaurierung ausreicht, werden Bauteile rekonstruiert. Kürzlich wurde beispielsweise das 1406 erbaute Effringer Schlössle für das Schwarzwälder Freilichtmuseum aufbereitet. Dort wird das jahrhundertealte Gebäude zurzeit in seiner ursprünglichen Pracht aufgebaut.

Keimzelle für eine neue Epoche

Das MAN-Stahlhaus ist nicht nur viel jünger, sondern auch völlig anders konstruiert. Zimmermänner, Maurer und Stuckateure können bei der Restaurierung nur bedingt auf ihre Erfahrungen zurückgreifen, eigentlich wäre ein Karosseriebauer gefragt. „Die größte Herausforderung ist, den Rost abzuwaschen, ohne dass dabei der historische Lack angegriffen wird“, sagt Maucher.

Von der Korrosion am stärksten betroffen ist naturgemäß die Wetterseite des Hauses, wo jahrzehntelang der Regen durch die Fugen zwischen den Stahlblechen rann. An dieser Front wurden auch irgendwann die hölzernen Fensterläden durch witterungsbeständigere Kunststoffläden ersetzt. So können nun zumindest die Schreiner bei Jako ihrem gelernten Handwerk frönen und Replikate der Originale herstellen. Anderes, etwa eine Strukturtapete aus den 50er Jahren, muss hinzugekauft werden. Die Arbeiten, sagt Maucher, kämen gut voran: „Wir liegen voll im Zeitplan.“

Diese Botschaft freut vor allem Michael Happe. Der Leiter des Freilandmuseums Wackershofen fährt regelmäßig mit seinem Passat ins 200 Kilometer entfernte Illerbachen, um sich selbst ein Bild von seinem künftigen Großexponat zu machen. Der Mittfünfziger würde mit seinem Wollmantel und seiner Hornbrille eher in ein Opernhaus als in eine Industriehalle passen. Er beschäftigt sich normalerweise auch nicht mit Rostschutz, sondern mit Kulturgeschichte. Das MAN-Stahlhaus, sagt er, „soll eine Keimzelle für einen Bereich der Nachkriegsarchitektur werden“. Eine Tankstelle, eine italienische Eisdiele und eine Bushaltestelle aus den 1950ern könnten demnächst hinzukommen.

Bisher bringen die 70 Gebäude, die in Wackershofen besichtigt werden können, den Besuchern den Alltag ihrer Vorfahren nahe. Bauernhöfe, Handwerkerhäuser oder Mühlen zeigen, wie die Menschen lebten, als es noch keine Autofabriken, Fernseher oder Tiefkühlpizzen gab. Noch wird ausgeblendet, wie sich Land und Leute während der Wirtschaftswunderjahre veränderten. Das MAN-Stahlhaus ist ein ebenso außergewöhnliches wie stilprägendes Beispiel für die Architektur und das Lebensgefühl dieser Zeit. Es war das Vorbild für Fertighäuser, die in den 1960er Jahren von Konzernen wie Streif, Kaufhof und Quelle massenweise produziert und verkauft wurden.

Bis August soll das Stahlhaus restauriert sein. Dann wird es zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres demontiert, auf Lastwagen verladen und quer durchs Land gekarrt. Bis Ende Oktober dürfte es dauern, bis das Gebäude in dem Freilandmuseum bei Schwäbisch Hall komplett aufgebaut ist.

Geschichtsträchtiges Gebäude

Im Frühjahr kommenden Jahres will Happe mit der Möblierung beginnen. Bis dahin, so hofft er, finden sich auf Dachböden und Kellern noch ein paar passende Einrichtungsstücke. Manches will der Museumschef aber genauso zeigen, wie er es im Frühjahr vergangenen Jahres in Sillenbuch vorgefunden hat, etwa die mit Postern tapezierte Wand in einem Dachzimmer. Schließlich seien auch Bands wie Steppenwolf, Led Zeppelin und Ten Years After typisch für diese Epoche.

Wie es sich für einen Kulturwissenschaftler gehört, hat Happe die Vergangenheit des Hauses und seiner Bewohner akribisch recherchiert: 1958 kaufte Ludwig Geißel die Sillenbucher Immobilie für sich und seine Familie. Als Direktor des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche fädelte Geißel den Freikauf von DDR-Häftlingen ein. Im Wohnzimmer, das wie das gesamte Stahlhaus überaus hellhörig war, verhandelte der damalige Kanzleramtschef Wolfgang Schäuble mit dem SED-Sekretär Alexander Schalck-Golodkowski. In der Dachkammer darüber saß derweil Volker, der Sohn des Hauses, vor seiner Posterwand.

Im kommenden Jahr will Volker Geißel, inzwischen 70 Jahre alt und Rentner, sein restauriertes Elternhaus in Wackershofen inspizieren. Er wird nicht der einzige Besucher sein, der sich beim Anblick von Nierentisch, Fernsehtruhe und Gummibaum in seine Jugend zurückversetzt fühlt.