Was hat das Zeitungslesen in der Grundschule mit einem Pinguin, mit Moneten und mit „Omawasser“ zu tun? Eine StZ-Redakteurin besucht Drittklässler in Heumaden, Birkach und Pflugfelden.

Böblingen: Carola Stadtmüller (cas)

Neugierig, laut, schnell, lachend, witzig, kreativ und sehr schlau. Dritt- und Viertklässler sind all das. Und sie schaffen es spielend, damit bei Erwachsenen Reaktionen zwischen Staunen und Sprachlosigkeit zu erzeugen. Eltern oder Lehrer sind gleichermaßen betroffen – und auch andere, die das Vergnügen haben: „Was die Frau Stadtmüller uns erzählt hat über ihren Beruf als Redakteurin, war echt spannend. Aber sie hat einfach zu viel geredet.“ So das Fazit eines Drittklässlers in der Grundschule Birkach. Er geht in eine von 70 Klassen, die bei der Premiere von „Zeitung in der Grundschule“, kurz Zigsch, mitmachen. Derzeit bekommen die ersten 35 Klassen täglich die Stuttgarter Zeitung und freitags die StZ-Kinderzeitung geliefert. Im nächsten Sommer folgt dann die zweite Gruppe.

 

Mittendrin. Die 3a der Grundschule Pflugfelden bei Ludwigsburg hat heute Besuch von Christina Lauber, der Chefin der Mineralwasserfirma Aqua Römer, die zusammen mit der Volksbank Stuttgart das Zeitungsprojekt an den Grundschulen sponsert, aber auch spannenden Unterricht für die Schulen gestaltet. Die Drittklässler von Lehrerin Anne Franke sind aus dem Häuschen. Im Klassenzimmer sieht es aus wie in einem Einkaufscenter oder auf der Königstraße, wenn man Getränke oder Gerichte probieren darf, die man noch nicht kennt. Die Grundschüler können nicht sehen, welches Produkt sie kosten. Alle Verpackungen tragen weiße Papiermäntelchen, lediglich Nummern von 1 bis 5 stehen darauf. Die Kinder erkennen aber, dass Christina Lauber Flaschen versteckt hat. Heute wird Mineralwasser ausgeschenkt, blind verkostet, wie das in der Fachsprache heißt.

Die 21 Pflugfelder Drittklässler sind voll bei der Sache. Und sie haben schon eine Menge über Wasser gelernt. „Es gibt mehr als 200 verschiedene Mineralwasser“, führt eine Drittklässlerin aus, „und alle schmecken anders, weil das Wasser den Geschmack des Bodens annimmt, durch den es fließt.“ Wie unterschiedlich, das erfahren die Kinder jetzt. „Mmmhhh, das schmeckt super“, rufen mehrere Schüler beim ersten Wasser. Susanne Noll, die Christina Lauber hilft, schenkt das kühle Nass in nummerierten Becherchen aus. Sie verteilt auch Bögen, auf denen die Schüler das jeweilige Wasser bewerten und beschreiben sollen – von sehr blubberig bis still, von salzig bis sauer.

In den Klassenzimmern wird lebhaft diskutiert

Das Wasser Nummer 1 ruft diese Reaktionen hervor: „Das ist vom Schwimmbad.“ Rudern muss Christina Lauber nicht, um darauf zu reagieren, aber sie muss laut lachen und versichert: „Also, ich verspreche euch, dass das Wasser nicht aus dem Schwimmbad kommt.“ Sie habe nur wirkliches Trinkwasser mitgebracht. „Trotzdem habt ihr recht. Das Wasser schmeckt nach Mineralien. Die haben so komische Namen wie Natrium, Magnesium oder Hydrogenkarbonat.“ Eine Schülerin fragt, warum die Namen nicht auf Deutsch seien. Christina Lauber erklärt, dass die Begriffe aus dem Lateinischen stammen und in vielen Sprachen ähnlich klängen.

Wenn die Zeitung in die Grundschule geht, dann ist was los. Die Dritt- und Viertklässler sind wie lebende Schwämme: Sie saugen alles auf, und wenn man an einer Stelle drückt, sprudelt es wie ein Wasserfall. Das haben die Projektverantwortlichen zum Beispiel beim Thema Terroranschläge in Paris festgestellt. An jenem Montag vor knapp drei Wochen kamen die Kinder voll gesogen mit Irritationen, auch mit Ängsten und vielen Fragen an die Schulen. Sicher haben die Eltern zu Hause bereits das meiste abgefangen – aber auch die Lehrerinnen waren gefordert und haben ihrerseits die Fragen ihrer Schüler an die Zeitung geschickt. „Ist Terrorist ein Beruf?“ – das hat noch kein Erwachsener in der Stuttgarter Zeitung wissen wollen. Viele Lehrerinnen schrieben, dass lebhafte Diskussionen in den Klassenzimmern stattfanden.

Aber es geht nicht nur um ernste Themen. Bei den Kindern besonders beliebt ist der Chefreporter der Kinderzeitung, der Pinguin Paul. Er „watschelt“ mit den Schülern durch ein Arbeitsbuch, das von der Stuttgarter Zeitung gemeinsam mit den pädagogischen Fachleuten des Alsdorfer Instituts Promedia erarbeitet wurde. „Ich bin von dem Projekt absolut begeistert. Meine Klasse sitzt morgens schon vor Schulbeginn im Klassenzimmer und liest die StZ. Sie führen ganz eifrig ihr Lesetagebuch, ohne zu jammern, toll“, schrieb etwa Susanne Deininger von der Grundschule Fornsbach im Rems-Murr-Kreis an die Redaktion.

Kohle, Mäuse, Moneten, Zaster, Kies

In der Klasse 3a der Grundschule Heumaden geht es an diesem Morgen um Geld, Kohle, Moneten, Mäuse, Kies, Schotter, Zaster, Bares. So viele Spitznamen für Scheine und Münzen aus Papier und Metall. Das Thema muss wichtig sein. 885 Euro hat Elena Zengerling von der Volksbank Stuttgart mitgebracht, sie lässt die Scheine durch die Reihen der 21 Schüler gehen. Wo gerade noch alle vor Aufregung mit ihren Sitznachbarn wisperten, ist es jetzt so still wie im Tresorraum einer Bank – so stellt man es sich jedenfalls vor. Ihrerseits sind Kinder auch mal sprachlos. „Ist das wirklich echtes Geld?“, durchbrechen die Mutigsten das Schweigen. Elena Zengerling bleibt cool, nickt und sagt: „Also bitte alles wieder bei mir abgeben. Sonst bekomme ich mächtigen Ärger mit meinem Chef.“ Der Fünfer und der Zehner wandern schneller als der Zweihunderter. Der Fünfhunderter wird gedreht und gewendet, betrachtet, inspiziert. Die Kinder kleben mit ihren Nasen daran. Mit ihren Kolleginnen Elke Rieg-Maier und Alexandra Bäuerle reicht Elena Zengerling auch britische Pfund sowie Schweizer Franken herum.

Aber die drei haben nicht nur Kröten dabei, sondern auch Schweine. „Was glaubt ihr, warum sparen die Leute?“, fragt Elena Zengerling. „Ich spare, damit ich nicht aus Versehen das Geld ausgebe“, erklärt ein Bub mit ernster Miene. „Wenn die Schwarte des Sparschweinchens fast kracht, dann könnt ihr euch einen Wunsch erfüllen“, meint Elena Zengerling. Und darauf könne man sich richtig freuen. „Ihr könnt dann euer Gespartes auf die Bank bringen“, erklärt sie. Beim Anblick zweier großer Poster, auf denen das Innenleben einer Bankfiliale comicartig mit den Figuren Penny oder Mark gezeichnet ist, interessiert die Truppe aber etwas ganz anderes.

In Pflugfelden geht es derweil ums „Omawasser“. So haben die Kinder das Getränk mit der Nummer 4 getauft. Dieses Wasser schmecke Omas, glauben sie: nicht zu salzig, nicht zu blubberig, nicht zu sehr nach Schwimmbad. Wie wohl ein „Opawasser“ schmecken müsste, gäbe es denn eines? Testsieger bei den Pflugfelder Kindern wird der Sprudel Nummer 2 – „unser Klassiker“, sagt Christina Lauber. „Da grinst mein Smiley am meisten“, erklärt ein Bub, der, statt die Getränke mit Worten zu bewerten, kleine runde Mondgesichter mit verschiedenen Mienen aufgemalt hat.

„Wie kommt ein Bankräuber in den Tresorraum?“

Die Drittklässler aus Heumaden liegen mittlerweile auf der Lauer. Eng aneinandergepackt reihen sie sich um die Comiczeichnung der Bankräume auf dem Fußboden. „Waren Sie schon mal bei einem Überfall dabei?“ „Wie kann der Bankräuber in den Tresorraum kommen?“ „Haben Bankräuber immer eine Pistole dabei?“ Aus den Kindern werden Kriminalisten. So ein Bankraub fasziniert einfach viel mehr als das Kreditwesen der Geldhäuser.

Schließlich gehen die Kinder noch einkaufen – rein rechnerisch, versteht sich. Penny soll sich entscheiden, in welchem Supermarkt sie Milch, Saft, Eier, Wurst, Käse und etliches mehr besorgen kann, um mit ihrem Budget hinzukommen. Penny hat zwar einen amerikanischen Namen, aber sie muss Schwäbin sein, eine sportliche noch dazu. Etliche Kinder interpretieren die Vorgaben in der kleinen Stillarbeit kurzerhand neu: Ihre Penny kauft nämlich nicht nur in einem Supermarkt ein – sie rennt von Laden zu Laden, um jeweils das günstigere Angebot zu ergattern. Fazit dieses Redakteursbesuchs: Kinder sind schlauer, als die Bank erlaubt.