Olli Dittrich nimmt das Fernsehen auf die Schippe. In seiner neuen Satire „Das Talkgespräch“ bringt er eine glänzende Parodie auf den allgemein grassierenden Talkshow-Wahnsinn.

Köln - Im gerade begonnenen „TV-Zyklus“ des Olli Dittrich (58) gibt es eine Konstante: das sächselnde „Reporter-Urgestein“ Sandro Zahlemann. Bereits vor einem Jahr sah man ihn in Dittrichs „Frühstücksfernsehen“. Fröstelnd berichtete er vor einem Chemiewerk in Budenow, Sachsen-Anhalt, über einen „möglichen Vorfall“. Tatsächlich passierte rein gar nichts, doch über dieses Nichts redete Zahlemann alias Dittrich bei einer Schalte ins Studio ausgiebig. Am Ende versprach der Moderator in einer hübschen Umkehrung des Informationsflusses: „Wir halten Sie auf dem Laufenden, Sandro Zahlemann.“ Der pflichtbewusste Reporter antwortete: „Ja, is’ gut, dann wart ich hier.“ Fernsehen aus Absurdistan. Dittrich machte sich über die Potemkinschen Dörfer des aktuellen Nachrichtengeschäfts lustig und hatte zugleich eine Figur erfunden, die für Fortsetzungsgeschichten taugt.

 

Der Reporter fährt mit dem Bus heim

Denn nun ist Sandro Zahlemann einer von fünf Gästen in der Sendung „Das Talkgespräch“, der zweiten Runde in der losen Olli-Dittrich-Reihe über das Fernsehen und seine verschiedenen Formate. Weitere „TV Zyklus“-Folgen sind mit dem WDR vereinbart. Im „Talkgespräch“, der Persiflage mit der unsinnigen Begriffs-Verdoppelung im Titel, erfahren wir endlich, wie die spannende Reportage aus Budenow weiter gegangen ist. Moderatorin Simone Rabe (Cordula Stratmann) fragt zupackend: „Und was passierte dann danach?“ Zahlemann, erwartungsgemäß: „Nichts.“ Während seine Kollegen von Bild und Ton um 1.03 Uhr ihre Sachen gepackt hätten, sei er „am Ort des nicht vorhandenen Geschehens alleine zurückverblieben“. Am frühen Morgen nahm er dann den Bus. Dittrich verulkt mit dieser tragikomischen Figur auch die biedere MDR-Ostalgie. Denn Sandro Zahlemann soll jetzt eine eigene Show bekommen. Bei „Geliebt, Gelobt, Genossen“ will er „Stars von Gestern bis Vorgestern“ versammeln. Strahlend verspricht er den Zuschauern ein „buntes Einerlei“.

Olli Dittrich ist ein Perfektionist

Wieder spielt Olli Dittrich eine Vielzahl von Figuren selbst, was hier auch eine besondere technische Herausforderung war. Denn meistens sind vier, manchmal sogar fünf Dittrichs gleichzeitig zu sehen. Dazu mussten alle Szenen der verschiedenen Protagonisten einzeln aufgezeichnet und nachträglich im Computer zusammengesetzt werden. Verblüffend, wie harmonisch das Gesamtbild wirkt. Zwar sind die Gäste – wie in einer echten Boulevard-Talkshow – vor allem an sich selbst interessiert. Gespräche gibt es deshalb fast nur in Dialogform zwischen Moderatorin und Gast. Doch auch minimale Interaktionen – Körperbewegungen, Blicke – müssen passgenau aufeinander abgestimmt sein. Und am Ende wird es regelrecht turbulent.

Bei den Dreharbeiten in Köln war ein „Motion Control System“ zum Einsatz gekommen, bei dem die auf einem fahrbaren Arm montierte Kamera millimetergenau justiert werden kann. Das passt gut zu Dittrichs exakter Arbeitsweise. Im „Talkgespräch“ lässt sich dies vor allem an den Figuren erkennen, die er detailversessen gestaltet – ihre Körperhaltung, ihre Art, sich zu bewegen und zu sprechen, ihre Frisuren, die Kleidung. Und jedem geben Dittrich und der Co-Autor Claudius Plaging eine umfangreiche Biografie und komische Geschichten mit auf den Weg.

Der echte Jan Josef Liefers tritt auch noch auf

Trixie Dörfel zum Beispiel, ganz in Weiß gekleidet, immerzu gekünstelt lächelnd, die Hand elegant auf die übereinander geschlagenen Beine gelegt, ist die „reife Seriendarstellerin und ehemalige Schlagersängerin“. Als Teenager hatte sie einen Hit, später war sie der Star der Serie „Klinikparadies“, hatte fünf Ehen mit drei Männern und auch einige Auszeichnungen erhalten. Etwa den „Goldenen Löffel der Stadt Bad Hersfeld“. Wie alle Talkgäste darf sie ihre aktuellen Projekte bewerben, eine Kosmetik-Serie und den ARD-Zweiteiler „Es muss nicht immer Afrika sein“. Das nutzt Dittrich zu einer Persiflage auf TV-Schmonzetten. In einem von Leander Haußmann inszenierten Film-Ausschnitt spielt Dörfel alias Dittrich an der Seite von Jan Josef Liefers (dem echten!).

Der Tierfilmer hat ewig Langeweile

Neben der sich im österreichischen Akzent um Kopf und Kragen plappernden Dörfel treten noch der einsilbige Tierfilmer Andreas Baesecke und ein gelangweilter Politjournalist namens Hauke Roche-Baron mit französischem Zungenschlag auf. Der spielt mit Peer Steinbrück Schach. Sein musikalisches Talent kann Dittrich außerdem mit einem Auftritt als Songwriter „Platzhirsch“ ausspielen, der in der Band von Marius Müller-Westernhagen mitwirkt und im Studio seinen Solo-Hit „Chillin’ con Carne“ zum Besten gibt. Alle diese sonderbaren Gestalten wirken wie Typen, denen man glänzenden Erfolg nicht zutraut, aber irgendwie doch gönnt.

Wenn man eins an dieser mit großer Fabulierlust gestalteten Fernseh-Satire übers Talk-Fernsehen kritisieren möchte, dann vielleicht das: Angesichts all der prominenten Mitbeteiligten scheint Dittrich selbst ein wenig der branchentypischen Eitelkeit zu erliegen, die er hier so unterhaltsam und meisterhaft vorführt.

Samstag, 23.15 Uhr, ARD