Kultur: Tim Schleider (schl)

Seit einem Jahrzehnt wird uns prophezeit, das World Wide Web würde auch die politischen Entscheidungsprozesse völlig auf den Kopf stellen und endlich die echte, authentische Partizipation aller ermöglichen. Bislang jedoch sind die positiven Auswirkungen des neuen Mediums auf den demokratischen Prozess überschaubar und seine demokratisierende Kraft ist bloße Option.

 

Keine Frage, der Informationsfluss im Internet und die zumindest prinzipiell gleichberechtigte Verbindung der Teilnehmer in den sozialen Netzwerken können enorme Auswirkungen auf politische Prozesse haben. Insofern macht das Internet allen Diktatoren, Machthabern, Vertuschern und Unterdrückern dieser Welt das Geschäft sehr viel schwerer als zuvor, das ist hocherfreulich und ein Gewinn.

Das Internet ist aber eben nicht nur das Medium der Aufklärung. Es ist nicht per se demokratisch, das kann es auch gar nicht sein, denn es ist ja nur ein Medium. Entscheidend ist, wer es wo und wie stark füttert. Es ist auch das Medium der Hetzer, Betrüger, Pöbler und Weltverschwörungstheoretiker. Keine Abstimmung, die nicht manipulierbar wäre. Kein Video, kein Bild, das nicht zu fälschen wäre. Kein Forum, das nicht ganz schnell zusammenbricht, sobald nur eine Handvoll Wirrköpfe ihre ansonsten offenbar tristen Tage damit verbringen, geistigen Müll hineinzukübeln.