Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

„Selbstverständlich unterstützen wir diese Position“, sagt ein Südwestmetallsprecher. Die Grenze zwischen Berufs- und Arbeitsleben verschwimme. Die Arbeit im Home-Office mit individuellen Arbeitszeiten bis in den späten Abend entspreche vielfach dem Wunsch der Beschäftigten, auch Zeit für die Familie zu haben. Doch erfordere dies eine Anpassung der rechtlichen Grundlagen. Anders als in den Dienstleistungsbereichen gibt es in der Industrie schon eine Vielzahl von Flexibilisierungsinstrumenten zur ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit. Doch fangen sie aus Sicht der Arbeitgeber nicht die Konstellationen auf, die ihnen im Zuge der Digitalisierung vorschweben: Wenn sich also ein Mitarbeiter am Morgen mit dem asiatischen und am Abend mit dem amerikanischen Partner abstimmen muss, könnte er in Konflikt mit dem Gesetz kommen.

 

Auch die Sonn- und Feiertagsruhe – laut Arbeitszeitgesetz ein Muss, von dem diverse Bereiche ausgenommen sind – hat die BDA im Visier: „Die Möglichkeit, weltweit vernetzt zu arbeiten, wird durch das Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit in Deutschland beschränkt“, wird in dem Papier beklagt. Insbesondere der Sonntag unterscheide sich von im Wochenturnus wiederkehrenden Feiertagen in anderen Ländern. „Um wettbewerbsfähig zu bleiben, dürfen an die Genehmigung von Sonn- und Feiertagsarbeit keine übermäßigen bürokratischen Hürden gestellt werden.“

IG Metall tut Vorstoß als „Lobbyarbeit“ ab

Die Gewerkschaften sehen in dem Vorstoß eher den Versuch, Schutzrechte abzubauen. „Es gibt keine Notwendigkeit, die Regelarbeitszeiten zu verlängern“, sagt der IG-Metall-Tarifexperte Frank Iwer. Der BDA gehe es auch um Anderes: Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will bis Ende 2016 das Thema Arbeitszeit in einem Weißbuch inklusive verschiedener Dialogforen erörtern. Also betreibe die BDA nun „Lobbyarbeit im Vorfeld“, so Iwer. „Es geht darum, Flagge zu zeigen.“ Dabei peilen die Arbeitgeber nach Einschätzung der IG Metall eine Öffnung für die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 60 Stunden an. Dies steht freilich nicht im Positionspapier, und die Gewerkschaften würden es auch nicht mitmachen. Selbst Arbeitswissenschaftler und Gesundheitsexperten hielten es für kontraproduktiv, sagt Iwer. Bisher darf die Wochenarbeitszeit 48 Stunden (sechsmal acht Stunden) im Durchschnitt von sechs Kalendermonaten nicht überschreiten.

In der Metall- und Elektroindustrie haben die tariflich Beschäftigten eine Wochenarbeitszeit zwischen 35 und 40 Stunden plus Mehrarbeit – zudem ein ausgedehntes Zeitkontensystem mit Ausgleichsmechanismen. Selbst Hochqualifizierte kommen kaum auf 45 Stunden im Schnitt. Darüber hinaus wird in einigen Unternehmen schon mit Heimarbeit oder mobilem Arbeiten experimentiert. „An praktischen Lösungen arbeiten wir ohnehin schon – wir brauchen dafür keine gesetzlichen Regelungen“, sagt Iwer. Als Auftrag des jüngsten Tarifabschlusses im Februar redet die IG Metall mit den Arbeitgebern über weitere zeitgemäße Lösungen. Unter Federführung des Bezirks Nordrhein-Westfalen wird von September an über Home-Office, Arbeitszeitkonten, die Übertragbarkeit von Langzeitkonten oder das Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeitarbeit neu nachgedacht. Einen Zeitplan gibt es noch nicht.