Patrick Bauer erzählt in seinem Debütroman „Der Anfang am Ende der Welt“ die Geschichte seiner Großeltern.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-Süd - In seinem Debütroman „Der Anfang am Ende der Welt“ erzählt der Journalist Patrick Bauer, Autor beim „Süddeutsche-Zeitung-Magazin“, die Liebesgeschichte der Figuren Wilhelm und Louise, die vor allem deshalb so bezaubernd ist, weil es sich um eine wahre Geschichte handelt. Die Erzählung basiert auf dem Leben seiner Großeltern, die sich in den 1950er Jahren in der Karibik kennenlernten. Bauers Großvater war von Bosch als Kühlschrankvertreter nach Trinidad und Tobago entsandt worden. Dort lernte er seine Frau kennen, die er 15 Jahre später mit nach Deutschland nahm, nach Leonberg. Fortan musste sie, die karibische Lockerheit gewohnt war, die drei Kinder in der schwäbischen Kleinstadt erziehen und lernen, dass man dort besser keine Unterwäsche im Garten aufhängt.

 

Erzählung in drei Episoden

Die erste Episode, der ausführlichste Teil des Buches, ist die Vorgeschichte aus der Sicht von Bauers Uroma Helene, die in Heslach aufwuchs und von dort über Hamburg und Berlin nach Rottweil gelangte. In ihrer Jugend nahm Helene Bauer „jeden Morgen um 7 Uhr 15 die Gäubahn von Heslach nach Stuttgart Centralbahnhof“, die Bahn in die Freiheit. Erst wenn sie abends „in den ersten Stock des Fachwerkhauses in Heslach kam, Böcklerstraße, neben der Weinstube, war die Welt wieder eng. Aber am Tag, in der Gäubahn, hinter dem Verkaufstresen, und mittags, wenn sie zum Schlossplatz spazierte, da war die Welt weit“. Nachdem sie am Sonntagmittag mit ihrer Schwester Ottilie tanzen war, „in dem Lokal am Bihlplatz“, kam ihr der Gedanke, dass sie „viel weiter weg aus Heslach muss, um Heslach hinter sich zu lassen“. Heslach, und auch Stuttgart ist ihr zu eng geworden, ihre Eltern behandelten sie zudem wenig liebevoll.

In den 1920er Jahren floh Helene deshalb nach Hamburg in eine Ehe mit dem abweisenden und nüchternen Gerhard, dachte aber häufig an Heslach. „In Gedanken saß sie oft auf den kalten Stufen vor dem Haus“, heißt es in dem Buch. Als sie in der hanseatischen Metropole scheiterte, zog es Helene wieder „nach Hause. Nach Heslach“.

Die zweite Episode schildert die Ereignisse aus Sicht Wilhelms, beginnend mit seiner Ausbildung bei Bosch bis zu seiner Abreise in die Karibik und seinem Leben dort. In der letzten Episode wird das Leben des Ehepaars nach der Ankunft in Leonberg erzählt, aus der Perspektive von Louise. Das Leben von Patrick Bauers Großeltern ist eng verknüpft mit dem seiner Urgroßeltern Helene und Ernst Bauer, die tatsächlich so hießen. Die Namen der Figuren Wilhelm und Louise sind hingegen fiktiv. Aber: „Je näher es an die Jetzt-Zeit geht, desto näher kommt es an die Realität“, sagt der 32-jährige Autor, der in Stuttgart geboren und in Berlin aufgewachsen ist. Heute lebt Patrick Bauer mit seiner Familie in München.

Zeitzeugnis über Deutschland während der Weltkriege

Während seiner Recherchen ist Bauer tief in das Leben seiner Vorfahren eingetaucht. Beim Lesen alter Briefe, beim Stöbern in Archiven und bei den vielen Gesprächen mit seiner Oma habe er sich „in die Geschichte seiner Urgroßmutter verliebt“, sagt Bauer. Einer Geschichte, die von Flucht geprägt ist und der Bedrohung durch den Zweiten Weltkrieg. Vor allem für die historischen Hintergründe des ersten Kapitels sei er stark auf Material aus Archiven angewiesen gewesen, so Bauer: „Erst dadurch wurde auch die Figur meines Großvaters für mich lebendig.“ Denn weder seine Uroma Helene noch Ernst Bauer hat er jemals wirklich kennengelernt.

Insgesamt ist der Roman, der den Untertitel „Die Geschichte einer wahren Liebe“ trägt, nicht nur eine Liebesgeschichte, sondern auch ein Zeugnis über das Leben in Deutschland während der Weltkriege und der Wirtschaftswunderjahre.

„Was letztlich wahr ist an dem Buch, das weiß aber nur meine Oma“, sagt Bauer lachend. Die hat das Buch über ihr eigenes Leben selbstverständlich auch gelesen, sogar zweimal. „Der Zeitgeist kommt sehr gut rüber“, findet Mary-Anne Bauer, die heute noch in Leonberg lebt. Vor allem sehe man sehr gut, wie schwer Frauen es damals hatten und wie sehr sie in der Kriegszeit auf sich allein gestellt waren. „Jetzt kann ich meine Schwiegermutter im Nachhinein viel besser verstehen“, sagt die 73-Jährige und lacht.