Eisgrau und explosiv: die Rockveteranen von Deep Purple haben in der Stuttgarter Schleyerhalle gespielt. Die Fünf fingen ihren Auftritt mit dem Titel „Highway Star“ an. Vollgas. Da schlotterte das Doppelkinn.

Stuttgart - Ihre einst langen dunklen Haare sind grau und ausgefranst geworden. Kein Wunder, gehen sie doch überwiegend auf die Siebzig zu oder haben das Alter inzwischen erreicht. Der später hinzu gekommene Gitarrist Steve Morse ist da das Nesthäkchen mit seinen 61 Jahren. Deep Purple war immer da, bestimmte anfangs Trends in der Rockmusik, setzte Zeichen, regte an, beeinflusste andere Bands. Ihr 1970 herausgekommenes Album „Deep Purple in Rock“ schuf so etwas wie den Hardrock entscheidend mit.

 

Ihre Geschichte ist lang und geht durch unzählige Besetzungen, die im Falle von Deep Purple gerne mit dem Wort „Mark“ markiert werden. „Mark 3“, Mark 4“ etcetera. Der Bassist Roger Glover trägt jetzt noch zu seinem eisgrauen Piratenzausebart sein um den Kopf gewundenes Piratentuch, der Schlagzeuger Ian Paice diese kleine dunkle Hippie-Sonnenbrille. Nur Ian Gillan pflegt jetzt mit seinen extrem kurzen Haaren den Look eines Maurers alter Prägung, der als Sänger die hohen Töne nicht mehr kriegt und auch in den Mitten seine Mühe hat. Entsprechend ist er am Samstag in der Schleyerhalle immer ein bisschen leiser und mehr in den Hintergrund gemischt, als das nötig wäre.

Zu den drei „alten“ Purple-Mitgliedern sind im Laufe der Jahre der diesmal nicht nur grinsende, sondern meist lachende Gitarrist Steve Morse und – zuletzt – der Keyboarder Don Airey gekommen. Jungspunde. Doch die beiden Sechziger machen vor den 7500 Besuchern in der Schleyerhalle durchaus eine gute Figur. Der Geist von anderen schwebt ja über ihnen. Sie haben die großen Fußstapfen ihrer Vorgänger Jon Lord und Ritchie Blackmore auszufüllen. Das können nur gereifte Spitzenkönner wie sie. Klaro.

Die Fünf fangen ihren Auftritt diesmal mit dem Titel „Highway Star“ an. Donnerwetter. Gleich Vollgas. Da schlottert das Doppelkinn. Und sofort wird wieder klar, welch fulminanter Gitarrist Steve Morse ist. Mit seinen umwerfenden technischen Fähigkeiten hat er nicht nur die Lücke ausgefüllt, die einst Ritchie Blackmore hinterlassen hat. Er hat auch nach und nach den Sound dieser Kapelle etwas verändert. Das wird besonders deutlich beim 2013 erschienenen Titel „Vincent Price“, bei dem er seine Gitarre genau wie beim folgenden Stück „Contact Lost“ geradezu fliegen lässt und sie mit Effekten und ausgeprägtem fingertechnischem Geschick immer weiter voran treibt.

Sie sind immer noch in Bewegung

Aber auch Don Airey hat seine Vorzeigesoli und orgelt, gurgelt, mahlt und fingert sich durch manche Kabinettstückchen, die zwar gut ins Repertoire passen, aber doch ganz sachte eine eigene Handschrift andeuten. Das ist der Knackpunkt, gewiss. Die einen wollen nur die alten Sachen hören, die anderen freuen sich über eine Band, die im vorgerückten Alter noch immer kreativ, noch immer in Bewegung ist und das auch zeigt.

Natürlich hören wir Titel wie „Bloodsucker“, „Strange kind of Woman“, „The Mule“ oder „Lazy“. Gefühlsstempel sind das, tief ins Bewusstsein eingebrannte Zeichen, die Wildheit und Rebellion signalisieren, hinter denen eine leicht hysterische Stimme brennt. Die Stimme hat sich merklich beruhigt, sie ist bemüht, überhaupt noch etwas von sich selbst aufrecht zu erhalten. Doch die anderen haben alle ihre Soli, können sich ausführlich profilieren. Roger Glover beispielsweise macht da selbst einen unschuldigen Titel der Anfänge wie „Hush“ mit seinen donnernden Bass-Einlagen zuschanden. In der Dunkelheit verwandeln sich die Trommelstöcke von Ian Paice in farbig zuckende Fäden. Nett.

Aber ihren typischen Sound haben sie insgesamt dann doch. Die abgeklärte, lockere und weise Pose des Alters ist da nicht. Eine Spur Rotzigkeit, Härte und Testosteron können sie immer noch auf unendlich langen Tourneen vorführen. Da kommt sogar diesmal „Perfect Stranger“ und „Space truckin’“ am Schluss des Auftritts, dem der Titel „Smoke on the Water“ dann noch die krachende Krone aufsetzen soll. Das Riff ist pure Rockmusik, jeder Anfänger spielt es noch heute im Gitarrenshop beim Probieren; alle können es spielen, drei Griffe, drei Harmonien, und ein kleiner Übergangsakkord. Der Beifall ist mehr als herzlich, manch einer meint aber, dass er durchaus nicht mehr so rase und tobe wie einst. Und so mancher registriert buchhalterisch genau, was an diesem Abend nicht kommt: die Titel „Speed King“ und „Into the Fire“ etwa, feste Bestandteile früherer Auftritte.

Aber sie machen ihren Job, sie stellen Deep Purple dar, jenen Mythos, der alle irgendwann erreicht hat. Jedenfalls die, die jetzt in der Halle sind. In ihnen klingt die Rockgeschichte, samt ihrer besonders explosiven Zeichen. Es soll alles beim Alten sein, jedenfalls für einen Abend.