Wie viele Menschen demonstrieren tatsächlich gegen Stuttgart 21? Die Angaben darüber klaffen immer wieder weit auseinander.

Lokales: Christine Bilger (ceb)
Stuttgart - Am Boden hatten die Demonstranten gegen Stuttgart 21 am Wochenende wieder ihre Zweifel an der Zählmethode der Polizei angemeldet: "Von da oben sieht man doch nichts", hieß es in der Menge während der Kundgebung auf dem Schlossplatz. Die Beamten saßen im Hubschrauber, der über dem Schlossplatz kreiste, und schätzten die Teilnehmerzahl aus der Luft, unterstützt von Kollegen vor Ort.

Die Polizei hat nun nachgezählt, ob sie mit ihrer Schätzung vom Samstag richtig lag. Auf rund 13.000 Menschen, die um 14.30 Uhr zur Kundgebung auf dem Schlossplatz waren, sei man durch diese Kontrollzählung gekommen, sagt der Pressesprecher Stefan Keilbach. Wie schon bei vielen Protestkundgebungen gegen das Bahnhofsprojekt zuvor hatten auch am Samstag die Angaben über die Zahl der Teilnehmer weit auseinander gelegen. 15.000 Personen meldete die Polizei, die Zähler des Aktionsbündnisses kamen auf etwa 39.000 Teilnehmer.

Wie groß ist der Protest aber tatsächlich? Zur Überprüfung der eigenen Schätzung setzten sich bei der Polizei in drei Dienststellen zwei- bis vierköpfige Teams hin und zählten "auf hochaufgelösten Luftaufnahmen" die Köpfe der Menschen auf dem Schlossplatz, so Keilbach. Die Ergebnisse hätten alle "rund um 13.000" gelegen, der höchste Wert, den ein Beamter ermittelte, seien 13.628 Köpfe gewesen.

"Wer mag, kann gerne selbst nachzählen"


"Auf 100 mehr oder weniger kommt es dabei nicht an", sagt Keilbach. Wichtig sei es der Polizei gewesen, zu beweisen, dass ihre Zahlen korrekt seien: "Wir wollen damit den Vorwurf, wir seien politisch beeinflusst, abwehren." Die Luftbilder könne jeder, der sich dafür interessiere, auf der Internetseite www.polizei-stuttgart.de » abrufen "und, wenn er mag, gerne selbst nachzählen".

Der "Zählmeister" des Aktionsbündnisses der Stuttgart-21-Gegner, Matthias Kästner, sieht den Streit inzwischen "entspannt". Kästner, seit mehr als 25 Jahren im Konzertveranstaltungs- und Eventbereich tätig, hatte in der Vergangenheit den Versuch unternommen, die Polizei zu einer gemeinsamen Zählung zu überreden – vergeblich. Am vergangenen Samstag hatte Kästner so wieder sein eigenes Teams mit Schusszählern im Einsatz. Registriert wurden die Teilnehmer des im Anschluss an die Kundgebung gestarteten Demonstrationszuges ab der Planie in Richtung Charlottenplatz, die sich auf den Fahrbahnstreifen in Marsch gesetzt hatten. "Wir sind dabei auf eine Zahl von etwas mehr als 29.000 gekommen", so Kästner.

Teilnehmerzahl auf Schlossplatz nicht exakt zu ermitteln


Zugleich hatte er Beobachter im obersten Stock des Kunstmuseums platziert. Sie sollten das Aufkommen derjenigen abschätzten, die nach der Kundgebung nicht an der Demo teilnahmen, sondern woanders hingegangen waren. "Die haben wir dann zur Zahl der Demonstranten addiert", erläutert Kästner. So kamen schließlich jene 39000 Kundgebungsteilnehmer zustande, die später in einer Mitteilung der Parkschützer-Initiative genannt wurden.

Kästner räumt ein, dass es auf dem Schlossplatz schwer, wenn nicht gar unmöglich sei, exakte Teilnehmerzahlen zu ermitteln: "Deswegen haben wir ja auch erst gezählt, als sich der Zug in Bewegung gesetzt hat." Übrigens: wie die Polizei, die eine politische Einflussnahme auf ihre Zahlen vehement bestreitet, nimmt auch Kästner für sich in Anspruch, keinerlei Druck seitens des Aktionsbündnisses ausgesetzt zu sein. "Wenn das rauskäme, wäre ich ja in meinem Job total unglaubwürdig", sagt er.

Auch in noch einem Punkt liegen Polizei und Aktionsbündnis weit auseinander: Die Demonstrationen in der Landeshauptstadt, die sich gegen das umstrittene Bahnprojekt richten, suchten sowohl hinsichtlich ihrer Größe als auch ihrer Häufigkeit in Deutschland und Europa ihresgleichen, meinen die Organisatoren. Stefan Keilbach setzt den Vergleichsmaßstab niedriger an: "Für Stuttgart lasse ich das gelten."