Hundertprozentig zufrieden war er selbst darum nicht mit seinem Schocken in Chemnitz, da der Bau im Inneren die Perfektion des äußeren Erscheinungsbildes vermissen lässt. Die „endgültige Fassung des Grundrisses“, schrieb Mendelsohn an Schocken, habe aufgrund von Sachzwängen „zwar zu einer befriedigenden praktischen, architektonisch aber nicht zu einer Lösung geführt, die der symmetrischen Aufstellung der Front analog ist“.

 

Fast neunzig Jahre später steht der Architekt Thomas Knerer im Schocken-Foyer und nickt. „Man sieht dem Gebäude von Anfang an die Spannungen zwischen hohem architektonischem Anspruch und funktionalen Anforderungen an.“ Gleichwohl haben die Dresdner Knerer und Lang zusammen mit den Stuttgarter Architekten Auer und Weber versucht, das „Flair der dreißiger Jahre“ und soviel Mendelsohn wie möglich wiederherzustellen. Allzu schwer hat es ihnen das Haus nicht gemacht. Im total kriegszerstörten Chemnitz nahezu unbeschädigt geblieben und bei einer Sanierung in den achtziger Jahren mit den kupferfarbenen Scheiben versehen, mit denen die DDR nahezu alle öffentlichen Gebäude verunstaltete, hat der Bau unter wechselnden Eigentümern durchweg dem Zweck gedient, für den er gebaut war: als Kaufhaus. Nach dem von den Nazis erzwungenen Verkauf und der Emigration der Schocken-Familie hieß er erst Merkur, dann HO und Centrum, schließlich Kaufhof, bis er 2001 in den Besitz der städtischen Grundstücksgesellschaft überging und jahrelang leer stand.

Die Identität bleibt gewahrt

In der „Asservatenkammer“ lagern zudem genügend archäologische Relikte aus der Schocken-Zeit, um Aufklärung über die Ursprünge zu geben: Fetzen von grün-weiß gestreiftem Markisenstoff, Handkurbeln, Türgriffe, Fragmente des hellen Kelheimer Auerkalks, mit dem die Fassade verkleidet war und nun – nach einem sozialistischen Intermezzo mit zu braunem Travertin aus Bulgarien – auch wieder ist . . .

Den Ausstellungsgestaltern dagegen bereitete vor allem die geringe Geschosshöhe von etwa drei Metern auf den Kaufhausetagen Kopfzerbrechen. Uwe Brückner vom Stuttgarter Atelier Brückner, wie die Architekten darauf aus, die Identität des Hauses nicht zu stark zu überformen, ersetzte Mendelsohns tiefhängende Kugellampen aus weißem Glas darum durch flache LED-Leuchten und brachte trickreich sogar noch einen Sandwichboden unter, in dem Kabel und Installationen für die Beleuchtung einzelner Vitrinen oder Monitore versteckt sind.

Der beste Bau des Architekten

Der Architekturhistoriker und Mendelsohn-Zeitgenosse Julius Posener hielt den Chemnitzer Schocken für dessen besten Bau. Man kann sich heute streiten, ob nicht doch der Stuttgarter Konsumtempel mit seinem Widerspiel von horizontal gegliederten, travertinverkleideten Verkaufsgeschossen und dem vertikal aufragenden, gläsernen Treppenturm architektonisch noch mehr Schmiss hatte. Aber kein Zweifel, die schnittig gekurvte Fassade in Chemnitz, die sich im Wechsel von steinernen, liegenden Mauerstreifen und kristallinen Fensterbändern über dem zurückgesetzten Erdgeschoss über neun Etagen bis zum bekrönenden Baldachin frei aufschwingt und von den „Leuchtkästen“ der flankierenden Treppenhäuser eingefasst wird, ist eine meisterhafte Komposition – en gros und en détail.

Mit der – im Vergleich zu Stuttgart – einfacheren, spiegelsymmetrischen Gestaltung seines Chemnitzer Kaufhauses, schreibt die Mendelsohn-Expertin Regina Stephan, habe der Architekt nicht zuletzt auf die zeitgenössische Kritik an seiner vom Expressionismus und vom amerikanischen Streamline-Stil beeinflussten, „außerhalb der Neuen Sachlichkeit stehenden Architektur“ reagiert, indem er seine „Sprachmittel auf das funktionell Notwendige“ reduzierte. Eine Reduktion hatte freilich auch Salman Schocken gewünscht – und zwar eine Reduktion der Kosten. Stuttgart war dem geschäftstüchtigen Unternehmer zu teuer gewesen, deshalb übertrug er die Bauleitung dem konzerneigenen Baubüro und nahm einige Änderungen an Mendelsohns Planung vor – sehr zu dessen Ärger, der sich mit seinem wichtigsten Bauherrn darüber fast verkrachte.

Die helfende Hand von Stuttgarter Planern

Hundertprozentig zufrieden war er selbst darum nicht mit seinem Schocken in Chemnitz, da der Bau im Inneren die Perfektion des äußeren Erscheinungsbildes vermissen lässt. Die „endgültige Fassung des Grundrisses“, schrieb Mendelsohn an Schocken, habe aufgrund von Sachzwängen „zwar zu einer befriedigenden praktischen, architektonisch aber nicht zu einer Lösung geführt, die der symmetrischen Aufstellung der Front analog ist“.

Fast neunzig Jahre später steht der Architekt Thomas Knerer im Schocken-Foyer und nickt. „Man sieht dem Gebäude von Anfang an die Spannungen zwischen hohem architektonischem Anspruch und funktionalen Anforderungen an.“ Gleichwohl haben die Dresdner Knerer und Lang zusammen mit den Stuttgarter Architekten Auer und Weber versucht, das „Flair der dreißiger Jahre“ und soviel Mendelsohn wie möglich wiederherzustellen. Allzu schwer hat es ihnen das Haus nicht gemacht. Im total kriegszerstörten Chemnitz nahezu unbeschädigt geblieben und bei einer Sanierung in den achtziger Jahren mit den kupferfarbenen Scheiben versehen, mit denen die DDR nahezu alle öffentlichen Gebäude verunstaltete, hat der Bau unter wechselnden Eigentümern durchweg dem Zweck gedient, für den er gebaut war: als Kaufhaus. Nach dem von den Nazis erzwungenen Verkauf und der Emigration der Schocken-Familie hieß er erst Merkur, dann HO und Centrum, schließlich Kaufhof, bis er 2001 in den Besitz der städtischen Grundstücksgesellschaft überging und jahrelang leer stand.

Die Identität bleibt gewahrt

In der „Asservatenkammer“ lagern zudem genügend archäologische Relikte aus der Schocken-Zeit, um Aufklärung über die Ursprünge zu geben: Fetzen von grün-weiß gestreiftem Markisenstoff, Handkurbeln, Türgriffe, Fragmente des hellen Kelheimer Auerkalks, mit dem die Fassade verkleidet war und nun – nach einem sozialistischen Intermezzo mit zu braunem Travertin aus Bulgarien – auch wieder ist . . .

Den Ausstellungsgestaltern dagegen bereitete vor allem die geringe Geschosshöhe von etwa drei Metern auf den Kaufhausetagen Kopfzerbrechen. Uwe Brückner vom Stuttgarter Atelier Brückner, wie die Architekten darauf aus, die Identität des Hauses nicht zu stark zu überformen, ersetzte Mendelsohns tiefhängende Kugellampen aus weißem Glas darum durch flache LED-Leuchten und brachte trickreich sogar noch einen Sandwichboden unter, in dem Kabel und Installationen für die Beleuchtung einzelner Vitrinen oder Monitore versteckt sind.

Vergebung alter Bausünden

Der größte, zu konstruktiven Brachialmaßnahmen zwingende Eingriff in die Schocken-Struktur ist aber das große Loch, das ungefähr im Zentrum des Gebäudes durch alle Geschosse gebrochen wurde, um dem „zeitdynamischen Sachsen-Modell“ aus dem Atelier Brückner Platz zu machen. Bei dieser künftigen Hauptattraktion handelt es sich um eine mit allen Schikanen der Digitaltechnik ausgestattete, schwebende Landschaftsskulptur, die auf ihrem Weg von unten nach oben 300 000 Jahre Archäologie- und Landesgeschichte abbildet, vom steinzeitlichen Neandertal-Spielplatz bis zum heutigen Sachsen mit seinen Autobahnkreuzen und Schnellrestaurants.

Es lässt sich absehen, dass der Schockenbau in Zukunft nicht nur Ausflugsziel für einheimische Schulklassen, sondern auch für Architektur- und Kunstpilger aus aller Welt sein wird. In einem abgetrennten Ausstellungsbereich direkt hinter den Fensterbändern der Fassade setzt das SMAC darum Erich Mendelsohn und Salman Schocken mit einer umfangreichen Modellsammlung, Skizzen, Fotos, Filmen und Musik ein Denkmal. „In dieser Ausführlichkeit erfährt dieser bedeutende Architekt des 20. Jahrhunderts deutschlandweit nur in Chemnitz eine dauerhafte Würdigung“, heißt es in einer Broschüre des Museums. Wurde aber auch Zeit, das hätten sie schon längst verdient gehabt, denkt man erfreut. Und hofft, dass die helfende Hand, die Stuttgarter Planer beim Chemnitzer Schocken angelegt haben, an höherer Stelle wenigstens ein bisschen zur Vergebung der alten (und neuen) Bausünden am Neckar beitragen möge.