Taugt ein ominöser Facebook-Eintrag als Beleg für eine psychotische Erkrankung der 36-jährigen Frau, die im Oktober 2014 ihre Tochter erstochen hat und ihren kleinen Sohn schwer verletzte? Die Ängste und Wahnvorstellungen der Mutter aus dem Kreis Göppingen beschäftigen das Landgericht Ulm.

Region: Corinna Meinke (com)

Stundenlang hat eine Frau, die eines ihrer Kinder mit Messerstichen getötet, eines schwer verletzt haben soll, Ausführungen von Ärzten über ihren Krankheitsverlauf über sich ergehen lassen. Auch Berichte über die Obduktion ihrer elfjährigen Tochter und die schweren Verletzungen ihres kleinen Sohnes wurden im Ulmer Landgericht vorgetragen. Ein Beben ergriff ihren Körper, sie starrte vor sich auf den Tisch, als sie der genauen Schilderung der schrecklichen Geschehnisse vom Abend des 19. Oktobers 2014 in einer Unterführung der A 8 bei Merklingen folgt. Die aus Bad Ditzenbach stammende Frau ist angeklagt, ihre elfjährige Tochter mit Messerstichen getötet und den Sohn durch Stiche schwer verletzt zu haben.

 

An diesem zweiten Prozesstag ist viel die Rede von den Ängsten und Wahnvorstellungen der Frau, die sich zu einer Abwärtsspirale mit tödlichem Ende für die Tochter entwickelten, obwohl sie sich zur stationären und später ambulanten Behandlung unter anderem in die Göppinger Klinik Christophsbad begeben hatte.

Depression oder Psychose?

Immer wieder hakt der vom Gericht bestellte psychiatrische Gutachter Peter Winckler bei den Zeugen nach, weil er die Entwicklung der Erkrankung nachvollziehen muss. Denn während die behandelnden Ärzte noch von einer schweren Depression der 36-Jährigen ausgegangen waren und sie entsprechend medikamentös behandelten, stellt sich das Gericht die Frage, ob die Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat nicht bereits unter einer schizophrenen Psychose gelitten habe.

Der Ehemann sitzt im Gefängnis

Dem Zusammenbruch der Frau vorausgegangen war der Mord ihres Mannes an einem Arbeitskollegen, für den er seit 2013 eine 13-jährige Haftstrafe in der Schweiz verbüßt. Ein Einschnitt, der sich für die 36-Jährige zur persönlichen Katastrophe steigerte, obwohl sie und ihre Kinder an ihrem Schweizer Wohnort nach der Tat die Solidarität der Dorfbewohner erfuhren. Mit der Angst vor Blutrache von Seiten der Hinterbliebenen des Opfers und der Scham hatte die Frau ihre Rückkehr zu den Eltern in den Kreis Göppingen gegenüber einer Vertrauten begründet. Der Frau, der sie schließlich in einer Verhandlungspause schluchzend um den Hals fällt und die sie wenige Stunden vor der Bluttat im vergangenen Oktober in deren Schweizer Wohnort auf der Suche nach Hilfe zusammen mit ihrer Tochter aufsuchte.

Stimmen gehört und Selbstmordgedanken entwickelt

Jedenfalls sei die Angeklagte wie ein „verängstigtes Kind“ am Vorabend der Katastrophe aufgetaucht, schildert die Freundin und frühere Nachbarin. Die 36-Jährige habe von Verfolgungsängsten gesprochen und die Sorge geschildert, man könne ihr die Kinder weg nehmen. Zum wiederholten Male habe die Angeklagte auch Stimmen erwähnt, die sie in früheren Berichten bereits für Selbstmordgedanken verantwortlich gemacht habe, berichtet die Zeugin.

Ein ominöses Geständnis in Facebook

Kurz vor diesem Besuch stand die Angeklagte außerdem unangekündigt vor der Tür einer früheren Freundin, die ebenfalls in der Schweiz lebt und den Kontakt zur Angeklagten seit einem ominösem Facebook-Eintrag abgebrochen hatte. In dem Eintrag hatte die Angeklagte offenbar gestanden, von dem Überfall ihres Mannes auf den später getöteten Arbeitskollegen gewusst zu haben und sich dafür entschuldigt. Eine Darstellung, die sich die 36-Jährige auch nur im Wahn ausgedacht haben könnte, wie der psychiatrische Gutachter jetzt ausgeführt hat.

Der Prozess wird am Donnerstag, 25. Juni, fortgesetzt.