Region: Verena Mayer (ena)

Also: das Urkitz, einst von Kurtfritz Handel aus Kunststoff geformt, nimmt ein Bad in Silikonpaste. Ist die Masse getrocknet, befreit Mayer das Kunststoffkitz aus seinem klobigen Korsett. Die Lücke, die es in dem Silikonklotz hinterlässt, füllt er mit flüssigem Spezialwachs. Doch kaum hat Mayer das so erschaffene Wachskitz von seiner Negativform erlöst, muss er sich von ihm trennen. Das grüne Reh zieht weiter in die Gießerei. Dort wird es sein Leben geben für das echte Kitz, den bronzenen Bambi.

 

Die Helme der vier Männer sind so gelb, dass sie auch in der finstersten Höhle nicht zu übersehen wären. Die Gläser ihrer Brillen so schwarz, dass ihre Augen in der gleißendsten Hölle keinen Schaden nehmen könnten. Ihre schweren Stiefel stecken in Gamaschen, ihre Hände in schützenden Schuhen. Schwer entflammbar alles, der dunkelblaue Overall sowieso. Die Männer hören bestimmt nicht das Klirren der Kupferbarren am anderen Ende der Halle. Und auch nicht das Zischen im Ofen, der diese Klötze so geschmeidig macht, bis sie in den Tiegel fließen können, dessen Inhalt das Einzige ist, für das die vier Männer Augen haben: so grellorange, so glühend heiß, so voller Unwägbarkeiten. Fließt die Bronze schnell? Verliert sie sich in Wirbeln? Wird sie Luftbläschen einschließen? „Wenn die Brühe losläuft, ist sie unberechenbar“, sagt Rolf Brandl, der Chef der Gießerei. Wobei Brandl nicht „die Brühe“ sagt, sondern, wie am Fuße der Alb üblich, „des Briahle“. Sehr zärtlich klingt das.

Und dann läuft es los, des Briahle. Hinein in einen Klotz aus Gipsschamott, über dem die Männer mit den gelben Helmen ihren Tiegel ganz sachte auskippen. Nur nichts verschütten. Ja, so ist es gut! Fertig, weiter zum nächsten Klotz und danach zum nächsten, bis der Tiegel leer ist.

Fauchende Schweißgeräte, kreischende Sägen

Das grüne Wachskitz ist schon lange nicht mehr. Es hat sich aufgelöst. Kaum, dass es in der Gießerei angekommen war, wurde es in einen undurchlässigen Mantel aus Gipsschamott gepackt und schließlich in einem Ofen so lange gegart, bis es geschmolzen war. In den Hohlraum, den das Kitz in dem Gipsschamott-Klotz hinterlassen hat, fließt nun die flüssige Bronze.

Oder ergießt sie sich in die Form eines Weihwasserbeckens oder einer Grablaterne? Wachsen im Inneren des Gipses die Einzelteile für ein Ornamenttor im Orient oder für einen Briefkasten in Blankenese? Hält man am Ende einen Pudel von Jeff Koons in der Hand oder eine Türklinke?

Heute verbergen sich hinter der Hausnummer 19 viele Gebäude, sogar eine Galerie. 500 Menschen arbeiten hier. Gießer, Metallbildner, Patinameister, Bildhauer, Industriekauffrauen. Und natürlich Formenbauer. Die Herren, die den Werken ihre Form geben, oder korrekter: ihre Negativform.

Auf der Werkbank vor Andreas Mayer liegt ein rechtes Bein. Auf dem Rollwagen daneben warten schon das linke Bein, dazu zwei Arme und die passenden Hände. Wenn die Gliedmaßen Süßen verlassen, werden sie an einem mannshohen Clown hängen, weshalb Andreas Mayer auch noch Negativformen vom Torso fertigen muss und von den zwei Haarbüscheln, die dem Clown vom Kopf abstehen werden. Des Weiteren harren ein Laptop der Abformung, eine Madonna, ein Kerzenständer. Und Andreas Mayer würde sich nicht wundern, käme ihm mal wieder ein Wildschweinzahn in die Finger oder eine tote Möwe. In der Kunstgießerei kann ja jeder gießen lassen, was er möchte.

„Man erlebt viel“, sagt Andreas Mayer, in dessen Formenwerkstatt die Entstehung jedes Werkes beginnt. Auch die des Fußes von Uwe Seeler, der zigfach vergrößert das Stadion des HSV ziert. Und die der Büste von Margarethe II. zu Dänemark. Und ja, auch die des Bambis.

Das Urkitz aus Kunststoff

Also: das Urkitz, einst von Kurtfritz Handel aus Kunststoff geformt, nimmt ein Bad in Silikonpaste. Ist die Masse getrocknet, befreit Mayer das Kunststoffkitz aus seinem klobigen Korsett. Die Lücke, die es in dem Silikonklotz hinterlässt, füllt er mit flüssigem Spezialwachs. Doch kaum hat Mayer das so erschaffene Wachskitz von seiner Negativform erlöst, muss er sich von ihm trennen. Das grüne Reh zieht weiter in die Gießerei. Dort wird es sein Leben geben für das echte Kitz, den bronzenen Bambi.

Die Helme der vier Männer sind so gelb, dass sie auch in der finstersten Höhle nicht zu übersehen wären. Die Gläser ihrer Brillen so schwarz, dass ihre Augen in der gleißendsten Hölle keinen Schaden nehmen könnten. Ihre schweren Stiefel stecken in Gamaschen, ihre Hände in schützenden Schuhen. Schwer entflammbar alles, der dunkelblaue Overall sowieso. Die Männer hören bestimmt nicht das Klirren der Kupferbarren am anderen Ende der Halle. Und auch nicht das Zischen im Ofen, der diese Klötze so geschmeidig macht, bis sie in den Tiegel fließen können, dessen Inhalt das Einzige ist, für das die vier Männer Augen haben: so grellorange, so glühend heiß, so voller Unwägbarkeiten. Fließt die Bronze schnell? Verliert sie sich in Wirbeln? Wird sie Luftbläschen einschließen? „Wenn die Brühe losläuft, ist sie unberechenbar“, sagt Rolf Brandl, der Chef der Gießerei. Wobei Brandl nicht „die Brühe“ sagt, sondern, wie am Fuße der Alb üblich, „des Briahle“. Sehr zärtlich klingt das.

Und dann läuft es los, des Briahle. Hinein in einen Klotz aus Gipsschamott, über dem die Männer mit den gelben Helmen ihren Tiegel ganz sachte auskippen. Nur nichts verschütten. Ja, so ist es gut! Fertig, weiter zum nächsten Klotz und danach zum nächsten, bis der Tiegel leer ist.

Fauchende Schweißgeräte, kreischende Sägen

Das grüne Wachskitz ist schon lange nicht mehr. Es hat sich aufgelöst. Kaum, dass es in der Gießerei angekommen war, wurde es in einen undurchlässigen Mantel aus Gipsschamott gepackt und schließlich in einem Ofen so lange gegart, bis es geschmolzen war. In den Hohlraum, den das Kitz in dem Gipsschamott-Klotz hinterlassen hat, fließt nun die flüssige Bronze.

Oder ergießt sie sich in die Form eines Weihwasserbeckens oder einer Grablaterne? Wachsen im Inneren des Gipses die Einzelteile für ein Ornamenttor im Orient oder für einen Briefkasten in Blankenese? Hält man am Ende einen Pudel von Jeff Koons in der Hand oder eine Türklinke?

Nicht einmal Rolf Brandl kann das erkennen. Erst wenn der Klotz zerschlagen ist – oder wie man am Fuße der Alb auch sagt: wenn der Denger he isch – wird sichtbar, was die Bronze in ihm geschaffen hat.

Wäre Ulf Barstadt nicht der, der er ist, würden seine Ohren schmerzen, und sein Kopf müsste dröhnen. Doch Ulf Barstedt ist der Leiter der Ziselierabteilung. Für so jemanden, ist das Klopfen von Meißeln kein Krach, sondern ein Rhythmus. Das Kreischen von Sägen ist die Melodie dazu. Schweißgeräte fauchen nicht, sie flüstern zu ihrem Meister, der die Rohlinge aus Bronze vollendet.

Ein 650 Tonnen schwerer Pegasus

Das Beseitigen sämtlicher Gussspuren – hier wird es erledigt. Das Zusammenfügen vieler Kleinteile zum großen Ganzen – dafür ist diese Werkstatt da. Das Herausarbeiten der Feinheiten, eines Blickes, eines Muskels, eines Musters – darf ein Ziseleur keine Furcht vor haben. „Erst durch die Linienführung des Ziseleurs kommt der Charakter in das Werk, den ich mir vorstelle, wenn ich modelliere“, hat Ernst Fuchs einmal über diese Kunsthandwerker gesagt, die genau genommen selbst Künstler sind.

Fuchs, der vor wenigen Tagen gestorbene Universalkünstler aus Wien, hat sich regelmäßig in Süßen einquartiert, wenn eines seiner Modelle bereit war, in Bronze verwandelt zu werden. Sein triumphaler Christkönig, seine freizügige Sphinx mit Goldhelm, seinen stolzen Pegasus, der mit dem Drachen kämpft – und den Strassacker nebenbei bemerkt auch als 650-Tonnen-Version für einen Themenpark in Florida erschaffen durfte.

Für Aufenthalte wie die von Ernst Fuchs hat Strassacker sogar ein Gästehaus eingerichtet. Im einstigen Domizil des einstigen Seniorchefs Max Strassacker gibt es Platz für zwölf Künstler. Während sie verfolgen, wie aus ihrem Entwurf ein echter Brunnen wird, eine echte Skulptur für einen Marktplatz oder ein echter Hingucker für einen Kreisverkehr, sorgt die Perle Franziska Banzhaff dafür, dass der Kühlschrank immer voll und der Tisch immer gedeckt ist. Künstlerservice all inclusive.

Klopfen, Kreischen, Fauchen – Ulf Barstedt lächelt, als er sagt: „Jede Arbeit ist eine neue Herausforderung.“ Das trifft sogar auf den Bambi zu, der jährlich dutzendfach durch die Ziselierabteilung läuft und im Prinzip nichts weiter werden muss als porentief rein. Wobei genau das die Herausforderung ist: ein Bambi darf nicht eine einzige Pore haben. Eine Unebenheit und das Fell aus Gold kann sich nicht makellos an den Körper schmiegen. Also schleifen, feilen und polieren, schleifen, feilen und polieren. Immer schön im Rhythmus, nicht aus dem Takt geraten.

Bambis für die Burda-Gala

Die Firma Strassacker hat eine Niederlassung im Elsass, wo 50 Mitarbeiter angestellt sind. Es gibt einen Standort in Amerika und einen in Saudi-Arabien. Über den Umsatz macht das Unternehmen keine Angaben, nur so viel: Etwa 80 Prozent stammen nach wie vor aus dem Verkauf von Buchstaben für Grabmale und sakraler Kunst. Strassacker unterhält ein eigenes Rennradteam, ermöglicht es Kunststudenten, ihre Objekte in Bronze umzusetzen, und jedes Jahr im Advent verwandelt die Firma ihren Skulpturengarten in einen Weihnachtsmarkt, der als Geheimtipp gilt. Sie hat die Trophäe für die Red Bull Crashed Ice World Championship kreiert sowie jene für das Playmate des Jahres. Die Chefin des Hauses heißt Edith Strassacker, ist 53, leitet das Unternehmen in der vierten Generation und sagt Sätze wie diesen: „Es ist langfristiges Denken, das unser Unternehmen prägt.“

Das Reh, das hinter der gläsernen Scheibe der sicheren Vitrine steht, ist übrigens noch von keiner Berühmtheit geküsst worden, das wird es auch niemals. Es ist nur ein Ausstellungsstück. Die Bambis für die ganz bestimmt bombastische Burda-Gala am Donnerstag sind längst ausgeliefert. Wie viele genau, darf so wenig verraten werden wie die Höhe der Produktionskosten.

Was soll’s? Ist ja schon spannend genug zu wissen, dass die Firma Strassacker aus Süßen auch diesen Preis namens Bambi in ihrem Repertoire hat.