Der baden-württembergische Naturschutzbund wird 50 Jahre alt. Siegfried Schuster, früherer Vorsitzender, blickt zurück und nach vorne.

Stuttgart - Von 1989 bis 1997 hat Siegfried Schuster den Nabu-Landesverband geleitet. Während dieser Zeit mauserten sich die Vogelschützer zu politischen Lobbyisten für den Naturschutz. Schuster galt als kluger Stratege, aber streitbar in der Sache. Er hat sich nicht geändert.
Herr Schuster, es läuft gut für den Naturschutz im Land: Seit Januar gibt es einen Nationalpark in Baden-Württemberg, die grün-rote Landesregierung setzt sich für Naturschutz ein. Sind Sie zufrieden?
Ich bin keineswegs zufrieden. Mit dem Landesvorsitzenden des Nabu, Andre Baumann, habe ich in letzter Zeit oft gestritten: Aus meiner Sicht ist es enttäuschend, dass die Landesregierung und der Nabu keinen größeren und besseren Nationalpark zustande gebracht haben. Der Nationalpark umfasst gerade einmal ein Minimum dessen, was für ein solches Projekt nötig ist, nämlich 10 000 Hektar. Und dann noch diese Zweiteilung! Gleichwohl ist der Nationalpark ein Fortschritt für den Naturschutz im Land.
Sie gelten als Freund offener Worte. Was missfällt Ihnen an der aktuellen Arbeit des Nabu-Landesverbands?
Wir haben kein zeitgemäßes Konzept. Wir verzetteln uns im Artenschutz. Es gibt in Baden-Württemberg 3000 gefährdete Tier- und Pflanzenarten, und für jede dieser Arten gibt es im Land – entstanden in den langen Jahren der CDU-Regierung – ein Schutzkonzept mit ungefähr 50 000 Einzelmaßnahmen. Von diesen 50 000 Einzelmaßnahmen werden jedes Jahr vielleicht zehn realisiert und öffentlichkeitswirksam verkauft. Aber der Zustand der restlichen Arten wird verschwiegen. Denen geht es nach wie vor hundsmiserabel.
Kritisieren Sie damit den Nabu oder das Naturschutzministerium?
Wir haben uns dem Konzept des Ministeriums angeschlossen. Im Nabu hatte zeitweise sozusagen jeder seinen Vogel.
Welcher war der Ihre?
Ich hatte keinen, weil ich diese Strategie ablehne. Jeder Ortsverband hat sich eine Vogelart rausgepickt, die er schützen wollte, die Regierungspräsidien verteilten das Geld mit der Gießkanne im Land. Aber dem Naturschutz insgesamt hat das überhaupt nichts genutzt. Die Feldlerche stirbt heute unter unseren Händen aus.
Sie gelten als großer Vogelfreund.
Vogelbeobachtung ist meine Leidenschaft. Unter meiner Federführung hat die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Bodensee, mit Mitgliedern aus Österreich und der Schweiz, eine ganz neue Kartierungsmethode entwickelt, die erstmals eine quantitative Bestandsaufnahme aller Vögel in einem solch großen Gebiet ermöglichte – der Bodenseeraum umfasst 1300 Quadratkilometer. Die Ergebnisse über die Vögel am Bodensee wurden in drei dicken wissenschaftlichen Wälzern veröffentlicht.
Konnte eine Vogelart gerettet werden?
Der Wanderfalke. In den 60- und 70er Jahren gab es noch zehn Brutpaare im Land. Eine Gruppe bewachte Tag und Nacht deren Horste – damals wurden im Auftrag von saudi-arabischen Emiren junge Falken ausgehorstet oder Eier gestohlen. Zudem half das Verbot des Insektizids DDT. Heute steht der Wanderfalke nicht mehr auf der Roten Liste für bedrohte Tierarten.