Im Fall des früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy wirft das Verhalten des ehemaligen Innenministers Hans-Peter Friedrich viele Fragen auf.

Berlin - Zu Beginn dieser Woche reagierte die Führung der SPD-Bundestagsfraktion mit Bestürzung auf den Fall Edathy. Mittlerweile ist klar, dass zumindest in einem engen Zirkel der Partei die Ermittlungen gegen den früheren Innenpolitiker seit Oktober vorigen Jahres bekannt waren. Informiert worden waren die SPD-Kreise unter anderem durch den ehemaligen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Ob der das durfte, ist nur eine von vielen ungelösten Fragen in der Affäre.

 

Der Informationsfluss:

Straftaten im Bereich der Kinderpornografie bilden seit einigen Jahren einen Schwerpunkt des Bundeskriminalamtes (BKA). Die Ermittler teilen ihre Erkenntnisse nicht nur der zuständigen Staatsanwaltschaft mit, sondern in besonderen Fällen auch dem Bundesinnenminister. Dies erklärt, warum Friedrich über den Fall Edathy Bescheid wusste. Informiert über die Vorwürfe war indes nicht nur das BKA. Wie die „Leipziger Volkszeitung“ unter Berufung auf Regierungs- und Ermittlerkreise berichtete, sollen auch alle 16 Landeskriminalämter durch das Bundeskriminalamt eingeweiht worden sein. Zudem war der niedersächsische SPD-Innenminister Boris Pistorius im Bilde. Die Zahl derer, die Edathy gewarnt haben könnten, wäre demnach deutlich größer. Pistorius will allerdings mit niemandem über seine Kenntnisse gesprochen haben, wie sein Sprecher erklärt.

Die Rechtsgrundlage:

Ob Friedrich den SPD-Chef über Erkenntnisse zu Edathy in Kenntnis setzen durfte, ist fraglich. Auf dem informellen Wege findet ein solcher Austausch häufig statt, wenn prominente Fälle betroffen sind, erklärte eine mit diesen Dingen vertraute Oberstaatsanwältin. Möglicherweise fehlt dafür jedoch eine Rechtsgrundlage. Gabriel hatte zu diesem Zeitpunkt weder eine staatliche Funktion noch ein staatliches Amt. Der FDP-Politiker und Rechtsanwalt Wolfgang Kubicki hält es daher für geboten, gegen Friedrich wegen des möglichen Verrats von Dienstgeheimnissen und wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt zu ermitteln. Friedrich verteidigte sein Vorgehen gestern mit Verweis auf die „politische Dimension“ des Falles. Dass Friedrich zwar Parteichef Gabriel mit der Sache vertraut machte, nicht jedoch Bundestagspräsident Norbert Lammert, ist nicht problematisch. Lammert hat sich mit solchen Angelegenheiten nur dann zu befassen, wenn sie Gegenstand im Immunitätsausschuss des Bundestages sind. Da die Durchsuchung der Wohnung und der Büros Edathys erst nach dessen Mandatsverzicht stattfanden, musste sich der Immunitätsausschuss nicht mit dem Fall beschäftigen, schließlich gehört Edathy dem Plenum nicht mehr an.

Die Mitwisser:

Gabriel hat nach seinem Gespräch mit Friedrich den damaligen SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und den damaligen parlamentarischen Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann eingeweiht. Es wurde vereinbart, so heißt es in der gestrigen Erklärung Oppermanns, „die Information vertraulich zu behandeln“. Gleichwohl wurde im Dezember Oppermanns Nachfolgerin Christine Lambrecht in den Kreis der Mitwisser einbezogen. Obwohl sie also seitdem von der Sache wusste, erklärte Lambrecht: „Ich persönlich habe keine Kenntnis darüber, was der Grund für das Ermittlungsverfahren ist.“ Inwieweit der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, der Mainzer Abgeordnete Michael Hartmann, über die Gründe des Ermittlungsverfahrens gegen Edathy informiert gewesen war, ist unklar. Hartmann war von Oppermann im November gebeten worden, sich um Edathy „zu kümmern“, da dieser sich in einem schlechten gesundheitlichen Zustand befunden habe. Hartmann wollte sich gestern nicht zu dem Vorgang äußern.

Der Widerspruch:

Oppermann teilte am Donnerstag mit, er habe sich in einem Telefonat im Oktober von BKA-Präsident Jörg Ziercke die Verdächtigungen gegen Edathy „bestätigen“ lassen. Ziercke widerspricht dieser Darstellung. Er habe Oppermanns Darstellung zwar angehört, aber die Informationen „weder bestätigt noch Informationen zum Sachverhalt mitgeteilt“.

Die Ermittlungen

NDR und „Süddeutsche Zeitung“ berichten, ein von Edathy beauftragter Anwalt habe im Dezember recherchiert, ob es Ermittlungen gegen den SPD-Politiker gebe. Die Staatsanwaltschaft habe schließlich bei der Durchsuchung der Wohnung nur einen intakten Computer sichergestellt. Alle anderen Rechner in den Wohnräumen und Büros Edathys seien entfernt worden. Darüber hinaus hätten sie Teile einer oder mehrerer zerstörter Festplatten gefunden.