Der rechtspopulistische Front National darf hoffen, bei den Regionalwahlen am Sonntag in sechs der 13 Regionen den Sieg davonzutragen. Das Programm ist einfach: gegen Ausländer, gegen den Euro.

Paris - Man möchte glauben, eine Naturkatastrophe sei über Frankreich hereingebrochen. Von unaufhaltsam steigenden Fluten und vergeblichen Versuchen, sie einzudämmen, ist allseits die Rede. Gemeint ist indes nicht ein Wüten der Naturgewalten, sondern der offenbar unaufhaltsame Aufstieg des Front National. Meinungsforscher prophezeien den Rechtspopulisten bei den für diesen und nächsten Sonntag angesetzten Regionalwahlen immer höhere Ausbeute.

 

So meldet die Tageszeitung „Le Monde“ in der Freitagsausgabe, der am Vortag gültige Befund, wonach der FN am Sonntag voraussichtlich in vier der 13 Regionen den Sieg davontragen werde, sei schon wieder Makulatur. Laut einer Erhebung des Instituts Ipsos sind es nun sechs Regionen, in denen der Front National hoffen darf, in der ersten Runde mit Stimmanteilen zwischen 30 und 40 Prozent zur stärksten politischen Kraft zu avancieren. Dass es nur um die Macht in den Regionen geht, die auch nach einer Gebietsreform im zentralistischen Frankreich wenig zu sagen haben, ist den abgedrängten traditionellen Volksparteien ein schwacher Trost. Denn die Wahlen sind das letzte landesweite Kräftemessen vor dem Präsidentschaftswahlen 2017.

Das Ziel bleibt der Elysée-Palast

Die FN-Chefin Marine Le Pen, die beste Chancen hat, bald die Geschicke der nordfranzösischen Region Nord-Pas-de-Calais-Picardie zu bestimmen, spricht es offen aus: „Mein Ziel ist und bleibt der Élysée-Palast“, hat sie gesagt. Was Sozialisten und Rechtsbürgerlichen bleibt, ist Schadenbegrenzung. Dazu könnten sie etwa in der zweiten Wahlrunde, wenn nur noch an den Start gehen darf, wer es in der ersten auf mindestens zehn Prozent gebracht hat, gegen den Front National gemeinsame Sache machen. Denkbar wäre, dass der in Runde eins schlechter Abschneidende Verzicht übt oder aber beide mit einer gemeinsamen Liste antreten. In Nord-Pas-de-Calais-Picardie ist der Sieg der FN-Chefin Marine Le Pen, in der südfranzösischen Region Provence-Alpes-Côtes-d’Azur ihrer Nichte Marion Marechal Le Pen aber offenbar nicht mehr zu nehmen.

Den Rechtspopulisten spielt zurzeit alles in die Hände: Flüchtlingsströme, Terroranschläge und Rekordarbeitslosigkeit. Die über Griechenland und den Balkan nach Norden drängenden Flüchtlinge gelangen zwar kaum nach Frankreich, wo bisher nur 30 000 Aufnahme gefunden haben, aber in Frankreich, wo die Integration von Immigranten nordafrikanischer Herkunft nicht bewältigt ist, weckt der Anblick der Fremden gleichwohl Ängste. Zumal es Nachfahren arabischer Einwanderer und vielleicht über Griechenland eingereiste Syrer waren, die Paris am 13. November mit Terror überzogen haben. „Wir haben es ja schon immer gesagt.“ Mit dieser Botschaft treten FN-Spitzenkandidaten erfolgreich vor die Wähler, versprechen Schutz durch Abschottung vom Rest der Welt.

Hollande im Aufwind

Dass sich Staatschef François Hollande nach den Attentaten das Gewand des Kriegsherren übergestreift hat und entschlossen den Weg weist, hat ihm selbst zwar zu seit Juli 2012 nicht mehr gekannten Beliebtheitsquoten verholfen. Der Sozialist, der an der syrischen Front die internationale Allianz gegen den Islamischen Staat erweitert und in Frankreich den Ausnahmezustand verhängt hat, erfreut sich der Zustimmung von 50 Prozent seiner Landsleute. Seiner Partei aber kommt dies nicht zugute. Am wachsenden Wunsch, Frankreich möge die Grenzen dicht machen und an eine vermeintlich glorreiche Vergangenheit anknüpfen, wie dies der Front National propagiert, hat das Krisenmanagement des Staatschefs nichts geändert. Die Meldung vom vergangenen Freitag, dass die Zahl der Arbeitslosen auf Rekordhöhe gestiegen ist, hat die Verunsicherung im Lande und die Sehnsucht nach Schutz durch Abschottung vielmehr noch gemehrt. „Die Angst treibt die Leute dem FN in die Arme“, hat der gegen Marine Le Pen antretende Sozialist Pierre de Saintignon festgestellt und hinzugefügt: „Ich kann nur hoffen, dass dies ein erster Reflex und nicht von Dauer ist.“