Es gibt wohl kaum einen Club, eine Halle oder eine einschlägige Musikkneipe im Land, in denen er nicht schon gespielt hat. Mittlerweile steht der Gitarrist und Sänger Werner Dannemann seit 50 Jahren auf der Bühne.

Eislingen - Seine ersten Auftritte hatte er im zarten Alter von drei Jahren. Seine Bühne war ein Tisch im Vereinsheim des Liederkranzes Eislingen im schönen Filstal. Und als Gage für die romantischen Weisen, die der Knirps da aus voller Kehle trällerte, winkte jeweils ein Täfele Schoklad.

 

Dannemann als Jungrocker Foto: Horst Rudel
Werner Dannemanns persönliche Zeitrechnung als Sänger, Gitarrist und dann auch als Komponist setzte freilich erst zehn Jahre später ein. Allerdings sollte der Premieren-Gig mit Werners Schülerband The Froggs und poppigem Liedgut von den Beatles bis zu den Kinks in Eislingens katholischem Gemeindehaus nur etwa eine Stunde währen. Dann, so hält es die frühe Karrierechronik fest, soll der mit dem Hausrecht gesegnete Geistliche in den Raum gestürmt sein, um dem Treiben, das ihn an eine „Räuberhöhle“ erinnerte, ein Ende zu bereiten: Band samt Zuhörer mussten stante pede weichen – und programmwidrig verduftet ist unter Mitnahme der Eintrittsgelder von 50 Pfennigen pro Nase auch der Kassier.

Das war am 13. Dezember 1965, und das Datum begründet somit das 2015 gefeierte 50-Jahr-Bühnenjubiläum Dannemanns. Ein Rückblick auf das halbe Jahrhundert zeigt indes schlagartig, dass die damals unter seelsorgerischem Vorzeichen erfolgte Vertreibung aus dem noch jungfräulichen Showbiz-Paradies ohne einschneidende Folgen blieb: Der Jungspund von einst ging eisern seinen Weg und zählt nicht erst seit heute anerkanntermaßen zu den Besten seiner Zunft. Die Stationen auf diesem Weg sind so vielseitig und wechselhaft wie das Leben selbst.

Ende der Sechziger finden die Göppinger Band Soul Organisation und der begnadete Beatles-Interpret Dannemann zueinander. Stücke von Cream und Jimi Hendrix komplettieren das Repertoire, man tourt durch Ami-Clubs, landet auch in einschlägigen Szenenzirkeln und Kultkneipen. „Eine Wahnsinnszeit“, sagt Dannemann. Und eine Zeit des ausgiebigen Kiffens, wie er ebenso freimütig wie reumütig einräumt. Jedenfalls soll sich das Jugendamt ernste Sorgen um das leibliche und sittliche Wohlergehen des Jünglings gemacht haben. Nur mit dem Nötigsten versorgt, geht er daraufhin auf Tour bis hinauf nach Norwegen, wo gute Kohle winkt.

E pluribus unum

Nach der Rückkehr schart Werner Dannemann die Psychodelic-Formation E pluribus unum um sich, findet vorübergehend zu der Gruppe Eulenspygel und zu der Hardrock-Band Tox, steigt bei der Maxwell Bluesband ein und firmiert unter Dannemann and Friends. Dann fliegt der Vogel, der sich in jungen Jahren gern mit kluftigen Paradiesfedern schmückt, wieder aus, tourt quer durch Europa und gibt für ein Jahr den Studiomusiker in Hamburg. Und weil der Naturfreund auch noch Zeit für eine Zierpflanzengärtnerlehre findet – sicher ist sicher –, gesellt sich zum „schwäbischen Hendrix“ und all den andern Ehrentiteln noch der „Bluesgärtner“.

Bald holt den Musiker der Ruf eines „Weltstars von Württemberg“ ein. Das Zusammengeschirren von global gemünztem Superlativ und räumlicher Begrenzung klingt irgendwie widersprüchlich und gegen den Strich gebürstet. Aber halt nur, solange Virtuosität als einziges Kriterium herangezogen und bar sonstigen Engagements gesehen wird. Dannemann aber stellt sein Talent in den Dienst ihm wichtiger gesellschaftlicher Veränderungen: Zeigt den heillos verrannten Braunen bei „Rock gegen rechts“ die Rote Karte, verwahrt sich gegen klerikale und säkulare Ausschließlichkeitsansprüche und ethnische Hybris, stößt Benefizaktionen an und hilft Frauenhausvereinen aus der finanziellen Klemme. Seine Bodenständigkeit hat eine Konzertagentur einmal so verklärt: Weil die Weltkarriere im klassischen Sinn ausgeblieben sei, habe dies uns allen erspart, dass dem Star ein frühes Ableben sowie die Existenz eines italienischen Maßschneiders droht.

Ob Weltstar oder nicht – im Laufe der Zeit sollten jedenfalls noch Sternstunden folgen, die Werner Dannemann mit etlichen Großen des internationalen Musikgeschehens zusammen auf der Bühne sahen. Zunächst aber war es vorwiegend die regionale Rock-und-Blues-Szene, die für den Werner auch mit Blick auf die beständige Fangemeinde die nötige Rückversicherung und Nestwärme abwarf. Und so prägte denn auch eine fast schon familiäre Atmosphäre ein Treffen, zu dem der Bühnenjubilar Dannemann in diesem Herbst Freunde und musikalische Weggenossen in den Göppinger Stauferpark eingeladen hatte. Bei der Feier, für die der Bartenbacher Willy Schall eigens eine Halle seines Hundefuttergroßhandels ausgeräumt hatte, wurden ein Jubiläumsbildband mit dem Titel „Herrlich währt am längsten“ und die neue CD „Gravity“ präsentiert. Außerdem gab es ein viel beachtetes Bühnenrevival mit den Soul-Organisation-Veteranen Martin Schrack, Wolfgang Mezger, Heinz Reiber und Dannemann.

„Brüder im Blues“

Im 72 Seiten starken schwäbischen Rockbluesbilderbuch gibt es quer durch die Jahrzehnte ein Hochglanz-Wiedersehen mit Wolle Kriwanek und den Köberleins, Helmut Kipp und „Coloured Wolf“ Wolfgang Kallert, Paul Harriman und Paul Vincent, André Schnisa und Calo Rappalo, Klaus Marquardt und Frank Barth, um nur ein paar herauszupicken. „Er in meinem Buch – unglaublich!“ So kommentiert Dannemann die Bildsequenzen, die ihn im Februar 2013 gemeinsam mit dem früheren Cream-Bassisten und Sänger Jack Bruce sowie dem Drummer Bodo Schopf in Stuttgarts Alter Reithalle zeigen. Zwischen „I’m so glad“ und „White Room“ lebten vor 500 Zuhörern die alten Cream-Zeiten wieder auf – für Dannemann muss es wie ein später Ritterschlag gewesen sein. Vermittelt hat das Konzertereignis „A Cut in Time“ übrigens sein Musikfreund Michael Bargende. Er hatte sich erinnert, dass Margrit, die Frau von Jack Bruce, aus dem nahen Nellingen stammt, alles andere fügte sich dann wie von selbst.

Ein anderer „Hero“ für den Jubilar Dannemann ist die schottische Woodstock-Legende Miller Anderson. Als „Brüder im Blues“ waren die beiden immer mal wieder auf Tour, auch stand er mit Pete Haycock und der Spencer Davies Group auf der Bühne. Und in der Heldenreihe darf auch Peter Green nicht fehlen. Werner Dannemann hat nahezu 30 CDs herausgebracht und 150 Projekte angestoßen. Sie belegen laut der Fachwelt seine Virtuosität und sein exzellentes stimmliches Ausdrucksvermögen. Für den 63-Jährigen markieren die Scheiben zudem wie Psychogramme seine jeweiligen Befindlichkeiten und Betroffenheiten. Und sie oszillieren zwischen Rebellion und Romantik, euphorischer Aufbruchstimmung und quälendem Liebesleid.

Hatte sich schon auf den Labels der 70er Jahre angedeutet, dass für den Schmetterlingsfreund Dannemann die Luftgaukler immer mehr in den Rang von Wappentieren flattern, krönt die Jubiläumsscheibe „Gravity“ nicht nur ein seltener Blauschwarzer Eisvogel, die fragilen Raritäten schwirren durch das ganze Beiblatt. Und wie bei den Kompositionen der Reihe „Opera nova“ werden in den Texten historische Kronzeugen bemüht. Dazu zählen die griechische Mythologie ebenso wie Ritter-Epen. Psychologische Thesen eines Robert A. Johnson werden aufgegriffen, und es kommt der englische Kirchenkritiker William Blake zu Wort. Dann wieder spießt Dannemann Zeiterscheinungen wie die Internetfixierung auf und arrangiert Symphonic-Rock-Stücke aus den 70ern neu.

Groove und Drive

Für ihr präzises Zusammenspiel, den Groove und den belebenden Wechsel zwischen forciertem Drive und balladenhaften Slowrockstücken hat die Jubiläumsformation bereits beim Lab-Festival Ende August großen Beifall eingeheimst. Mit Bernd Berroth am Bass, Peter Knapp und Jan Enskat am Schlagzeug, der Sängerin Daniela Epple sowie der Violonistin und Sängerin Zorana Memedovic hat Bandleader Dannemann mehr oder weniger Altgediente um sich versammelt. Hinzu kamen erst jüngst der Franzose Jean-Pierre Barraqué am Keyboard und der Stuttgarter Gitarrist René Kastler. Dass es trotz der Affenhitze im Zelt viele in Bühnennähe hielt, konnte da nur als höchstes Kompliment gelten. Zudem zeigten die schon ergrauten bis weißen Häupter in der unmittelbaren Peripherie, dass viele Fans mit dem Werner die 50 Jahre durchmarschiert sind.