Die Sache mit der Finanztransaktionssteuer ist kein Einzelfall. Unablässig wurde dem Hörer in der zurückliegenden Woche auf SWR Info suggeriert, dass Politik und Wirtschaft schrecklich kompliziert und im Grunde nervig seien. Es wurde gestöhnt, was das Zeug hält, mal, dass kaum jemand die Eurokrise verstehe, mal, dass die in Berlin sich furchtbar streiten, mal dass man Hähnchen wegen der Antibiotika nicht mehr essen könne. Die Litanei erinnerte eher an Leserdiskussionen in Internetforen von Nachrichtenportalen als an ernsthaften Journalismus. Eine solche Haltung führt die Idee eines Inforadios jedoch ad absurdum. Es sollte gerade dabei helfen, aktuelle Ereignisse besser einordnen zu können. Medienwissenschaftliche Untersuchungen zeigen übrigens, dass sich auch jüngere Hörer von seriösen Nachrichten keinen kumpelhaften Ton erwarten, sondern Verständlichkeit und Erklärung der Zusammenhänge.

 

Das führt zum zweiten Irrtum. Der SWR ist offensichtlich der Überzeugung, den Bürgern fehle es an Nachrichten. Dabei gibt es Nachrichten wie Sand am Meer. Man kann sie sich aus dem Internet immer und überall auf jedes Smartphone holen: die jüngste Volte im Streit um den Bundespräsidenten, die letzte alarmistische Meinungsäußerung zur Eurokrise, der neueste Fußballer-Vereinstransfer. Und selbst wenn man kurzzeitig vom Internet abgeschnitten ist, ist die Lage selten so dramatisch, dass man nicht bis zur nächsten halben Stunde auf die regulären Nachrichten warten könnte. In der angelsächsischen Kommunikationswissenschaft gibt es den klugen Spruch: „We are overnewsed but underinformed“, was sich frei übersetzen ließe mit: „Wir haben zu viele Nachrichten, aber zu wenige Erklärungen“. SWR-Info hechelt von sechs Uhr bis 20 Uhr der Aktualität hinterher. Wer wirkliche Vertiefung sucht, muss es am späteren Abend oder am Wochenende einschalten.

Zum Glück für die verbliebenen anspruchsvollen Hörer im Südwesten leistet sich der SWR mit seinem zweiten Programm einen der besten Kultursender der Republik. Dort nimmt man sich morgens eine halbe Stunde Zeit, um über scheinbar abseitige Themen wie die „Wissenschaft vom Suizid“ oder den russischen Universalgelehrten Michael Lomonossov zu sprechen. Und abends gönnt man sich gar ein einstündiges Feature, um über demokratische Partizipation zu informieren. Man kann nur hoffen, dass dieses letzte Refugium wort- und mitdenkorientierten Radios nicht auch noch verhackstückt wird.